102
I. E., daß, wenn hiernach der Ansteigerer im Zwangs-Versteigerungs-
Verfahren das Grundstück frei von allen hypothekarischen Lasten erwirbt,
für ihn eine Nothwendigkeit zu einem nachträglichen Reinigungs-Verfahren
in Bezug auf die gesetzlichen, der Eintragung nicht bedürftigen sowenig,
wie in Bezug auf die sonstigen Pfandrechte vorhanden sein kann;
Daß vielmehr die Entstehung des Purgations-Verfahrens, die rechts-
geschichtliche Entwickelung und der Uebergang dieses Instituts aus dem
alten in das gegenwärtige Recht, sowie die Ausbildung, die es in dem
letzteren erfahren hat, darüber keinen Zweifel lassen, daß dasselbe sowohl
in der für die eingetragenen Hypotheken (B. III. Lit. 18 Kap. VIII.
des B. G. B.) als in der für die gesetzlichen (Kap. IX. ibid.) angeord-
neten Form lediglich ein neben dem Zwangs-Verkaufe herlaufendes, mit
demselben sich nie verbindendes Surrogat darstellt, bestimmt, hinsichtlich
der Reinigung eines Grundstücks von den darauf haftenden Hypotheken
bei dem freiwilligen Verkaufe die Wirkungen des Zwangs-Verkaufes
zu ersetzen;
Daß mit dieser Voraussetzung die Terminologie der betreffenden gesetz-
lichen Bestimmungen (Art. 2181, 2182, 2186, 2188, 2194) sich in Ueber-
einstimmung befindet, welche dem Gedanken, daß das dort vorgeschriebene
Verfahren sich je einem vorhergegangenen Zwangs-Versteigerungs-Verfahren
anschließen könnte, entgegentritt;
Daß endlich der bisher ausgesprochene Grundsatz auch in den Bestim-
mungen der bürgerlichen Prozeß-Ordnung seine Bestätigung findet, indem
aus den Art. 749 und 730 daselbst sich ergibt, daß das Rangordnungs-
Verfahren in einer für die Einschiebung eines Purgations-Verfahrens
keinen Raum gewahrenden Frist sich an die Zustellung des Adjudikations-
Urtheils anschließt und der Adjudikatar, ohne daß ihm ein Weiteres obläge,
das.Ordre-Verfahren herbeiführen kann, und der Art. 775 ebendaselbst
es deutlich zu erkennen gibt, daß das in dem Art. 2194 bezeichnet Pur-
gations-Verfahren in dem Falle der Zwangs-Versteigerung nicht stattsindet;
I. E., daß hieraus folgt, daß vorliegend das von dem Cassations-
Verklagten Drees erworbene Grundstück nach dem Zwangsverkause für
die Ansprüche der Minorennen Schwarz nicht weiter hypothekarisch ver-
haftet ist, daher aus dieser angeblichen Verhaftung ein Einspruch gegen
die Zahlungs-Aufforderung der Caffations-Klägerin auf Grund des Art.
1653 des B. G. B. nicht herzuleiten gewesen ist und der Appellations-
Gerichtshof, indem er diesem Einsprüche Statt gegeben, die Art. 2166,
2167, 2180, 2193, 2194 des B. G. B., Art. 749, 750, 775 der B.
Pr. O. verletzt, beziehungsweise falsch angewendet hat;
Aus diesen Gründen
cassirt das Königl. O.-Tr., V. Civilsenat (Rhein. Senat) das Urtheil des
Königl. Appellations-Gerichtshofes zu Köln vom 20. Mai 1864, verordnet
die Beischreibung des gegenwärtigen Urtheils am Rande des cassirten u. f. w.
Verwirft sodann zur Sache selbst erkennend, aus denselben Gründen,
die Berufung wider das Urtheil des Königl. Landgerichts zu Düsseldorf
vom 25. Juli 1863, unter Verurtheilung der Appellanten in die gesetzliche
Succumbenzstrafe und zu den Kosten zweiter Instanz.
Sitzung vom 11. Juli 1864.
Ref.: H. G. O.-Tr. R. Schmitz. Concl.: H. G. St. A. Oppenhoff.
Advokaten: Dorn — Mecke.