Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 59, Abth. 2 = N.F. Bd. 52, Abth. 2 (1864))

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Gerichtssitzungen den Gerichten, neben der Verhängung der sonstigen, zur
Wiederherstellung der Ordnung dienlichen Maßregeln, ausnahmsweise die
sofortige Aburtheilung über die bei dieser Gelegenheit verübten Verbrechen,
Vergehen oder Uebertretungen übertragen wird, durch diese, wenn gleich
jüngere Vorschriften den wesentlich davon verschiedenen und auf ein anderes
Verhaltniß sich beziehenden Bestimmungen der Art. 10 u. 11 der B. Pr. O.
nicht derogirt wird, welche dem Friedensrichter als Ausfluß seiner eigenen
Gerichtsbarkeit und zum Schutze derselben die Befugniß verleihen, vor-
kommende Verletzungen der ihm verschuldeten Achtung, ohne Rücksicht
darauf, ob dieselben den Charakter allgemeiner Strafbarkeit an sich tragen,
durch Ermahnung, Geldbuße oder leichte Gefangnißstrafe zu rügen;
Daß der Friedensrichter, indem er sich dieser Befugniß bedient, nicht
in der Weise, wie dies die bezogenen Artikel der Str. Pr. O. regeln, und
vermöge der dort ausgesprochenen Attribution einen Act der Strafgerichts-
barkeit im eigentlichen Sinne, sondern einen Act der seiner Jurisdiction
inhärirenden Audienzpolizei-Gewalt ausübt;
Daß auf solchen denn auch die Vorschrift des Art.505 der Str.Pr.O»
über die Ausschließung der Berufung gegen die auf Grund desselben erfolgte
Bestrafung gewöhnlicher Polizei-Uebertretungen nicht Anwendung findet;
Daß vielmehr für die Falle der Art. 10 und 11 der B. Pr. O. die
spezielle Vorschrift des Art. 12 ibid. gilt, welche eine andere Auslegung,
als daß durch dieselbe die Berufung gegen dergleichen Entscheidungen für
zulässig erklärtest, nicht zulaßt;
Daß diese Berufung aber, eben weil es sich nicht um eine Ausübung
der polizeilichen Strafgerichtsbarkeit handelt, nicht an das, die zweite In-
stanz in Polizeisachen bildende Zuchtpolizeigericht, sondern an denjenigen
Richter, welcher nach den allgemeinen Competenzregeln (Art. 12. Tit. III.
des Gesetzes vom 24. August 1790) für Sachen der friedensgerichtlichen
Gerichtsbarkeit die höhere Instanz bildet, also an die Civilkammer des
Landgerichts gelangen und in der hierfür vorgeschriebenen Form des Art.
456 der B. Pr. O. erhoben werden muß;
Daß hieraus folgt, daß die Zuchtpolizeikammer des Königl. Landgerichts
zu Coblenz, indem sie die eingelegte Berufung, als zu ihrer Competenz
gehörig, angenommen, die bezogenen Gesetze Art. 12 der B. Pr. O.,
Art. 12, Tit. HI. des Gesetzes vom 24. August 1790, verletzt und den
Art. 172 der Str. Pr. O. unrichtig angewendet hat;
Aus diesen Gründen
cassi'rt das Königl. Ober-Tribunal, Senat für Strafsachen, Abth. II. das
Urtheil der Zuchtpolizeikammer des Königl. Landgerichts zu Coblenz vom
30. Januar 1865, verordnet die Beischreibung des gegenwärtigen Urtheils
am Rande des casst'rten und verurtheilt den Cassationsverklagten in die
Kosten dieses Verfahrens.
Sodann zur Sache selbst erkennend und aus den obigen Gründen:
verwirft das Königl. Ober-Tribunal die wider das Urtheil des Friedens-
gerichts zu Trarbach vom 16. November 1864 eingelegte Berufung als
unannehmbar, unter Verurteilung des Appellanten in die Kosten.
Sitzung vom 18. Mai 1865.
Ref.: H. G. O.-Tr. R. S ch m i tz. Concl.: H. O. St. A. O p p e n h o ff.

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