Full text: Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Bd. 59, Abth. 2 = N.F. Bd. 52, Abth. 2 (1864))

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3) Jedenfalls, wenn die Berufung zulässig und an das competente Gericht
gebracht sein möchte, unterliege das angefochtene Urtheil der Ver-
nichtung wegen Verletzung des Art. 11 der Cr. Pr. O. Derselbe
lasse nicht die Wahl zwischen Geldbuße und Gefängnißstrafe, drohe
vielmehr für den Fall, der festftehendermaßen hier vorliege, mit Ge-
fängnißstrafe. Der gewählte Ausdruck: pourra condamner stelle
es in das Ermessen des Richters, ob er die gedrohte Maßregel über-
haupt eintreten lassen wolle, gestatte ihm dagegen nicht die Wahl
zwischen verschiedenen Strafarten, von denen die eine in dem Artikel
gar nicht genannt sei.
4) Wenn überhaupt auf eine Geldbuße habe erkannt und wenn ferner
einer nach Art. 10 u. 11 der B. Pr. O. verhängten Geldbuße eine
eventuelle Gefangnißstrafe habe substituirt werden dürfen, so hätte
letztere nach §. 335 des Str. G. B. eine Gefängnißstrafe von min-
destens zwei Lagen sein müssen, indem die fragliche Geldbuße vermöge
ihres gesetzlichen Maximums den Charakter der Strafe einer Ueber-
tretung, nicht eines Vergehens, habe.
Der Caffationsverklagte hat eine Denkschrift eingereicht, worin zur
Widerlegung des Recurses vorgebracht wird:
Der Ober-Prokurator verwechsele die Bestimmungen der Art. 504,
505 der Str. Pr. O. mit den Art. 10, 11, 12 der B. Pr. O. Jene
Artikel der Str. Pr. O. schützten den Richter gegen Lumult-Scenen
und das Strafurtheil unterliege in diesem Falle keiner Berufung, wenn
es blos Polizeistrafen ausspreche. Zur Anwendung dieser Artikel bedürfe
es der thatsächlichen Feststellung, daß ein Tumult stattgefunden, begleitet
von Injurien oder Tätlichkeiten; fehle diese Feststellung, so sei der Art.
505 unanwendbar.
Der Friedensrichter habe den Art. 505 nicht zur Anwendung gebracht,
weil er, in dem Bewußtsein dessen, was vorgefallen, die thatsächlichen
Voraussetzungen desselben als nicht vorhanden erkannt habe. Der Recurs
des Ober-Prokurators müsse verworfen werden, weil er ein nicht existiren-
des Factum voraussetze. Der Friedensrichter zu Trarbach habe eine ein-
fache, von Tumult nicht begleitete, respektwidrige Aeußerung des Cassa-
tionsverklagten festgeftellt und darauf die Art. 10 u. 11 der B. Pr. O.
angewendet. Die desfallsige Entscheidung unterliege der Berufung, was
Art. 12 ibid. ergebe und wofür die Autorität von Carre - Chauveau zu
diesem Art. angerufen werden könne. Derselbe Schriftsteller spreche sich
auch dafür aus, daß die Berufung an das Zuchtpolizeigericht zu bringen
sei, da die Strafen der Art. 10 u. 11 Polizeistrafen seien. Der Art. 11
gebe dem Friedensrichter, während er ihn ermächtige, eine Gefängnißstrafe
zu verhängen, das Recht, auch eine geringere Strafe, also eine bloße Geld-
buße, auszusprechen. Die Art. 10 u. 11 unterschieden sich darin von
einander, daß bei der einfachen Respektwidrigkeit (Art. 10) der Friedens-
richter nur eine Geldbuße verhängen dürfe, daß er aber bei einer schwereren
Respektwidrigkeit zu einer Gefängnißstrafe übergehen könne. Daß er die
Gefängnißstrafe in diesem Falle aussprechen müsse, sage das Gesetz nicht.
Das Auchtpolizeigericht habe hiernach eine, für den vorliegenden Fall zulässige
Strafe angewendet und das Gesetz nicht verletzt oder falsch angewendet.
Urtheil:
I. E., daß, wenn die Art. 504 ff. der Str. Pr. O. Vorschriften ent-
halten, durch welche bei eintretenden Ruhestörungen in den öffentlichen
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