Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 58 (1914))

74 Wann wird eine Ehe im Falle des § 1350 BGB. anfechtbar?
Er steht unter diesen Umständen der Ehe, welche der zurück-
gebliebene Ehegatte nach der Todeserklärung des früheren Galten
schloß, als ein an deren rechtlichem Schicksale nicht unmittelbar
beteiligter Dritter gegenüber. Als ein solcher ist er nach § 142
Abs. 2 BGB. nicht so zu behandeln, als habe er, wenn diese auf
Grund der Anfechtung aus § 1350 für nichtig erklärt wird, die
Tatsache ihrer Nichtigkeit gekannt, oder als habe er diese kennen
müssen. Mag daher auch die neue Ehe, welche der frühere Ehe-
gatte des für tot Erklärten schloß, infolge ihrer Anfechtung und
Nichtigerklärung über den Haufen fallen, so lebt darum doch die
frühere Ehe, in welcher dieser mit dem für tot Erklärten stand,
nicht wieder auf. 8) Liegt doch kein Grund vor zu der Behauptung,
daß durch die Vernichtung der neuen Ehe, welche der verlassene Ehe-
gatte des für tot Erklärten eingegangen war, der neue gutgläubige
Ehegatte des tot Erklärten in Mitleidenschaft gezogen und gezwungen
würde, die Ehe, in welcher er zur Zeit mit dem für tot Erklärten
steht, als der Nichtigkeit verfallend anzuerkennen.
Der Möglichkeit des Wiederauflebens der früheren Ehe des
tot Erklärten steht eben unter diesen Umständen die neue Ehe
hindernd entgegen, welche dieser mit einem anderen gutgläubigeu
Ehegatten geschloffen hat.
Die Sach- und Rechtslage ist sonach derjenigen ähnlich, welche
dann vorliegt, wenn nach vorgängiger Todeserklärung seines früheren
Ehegatten der zurückgebliebene Ehegatte eine neue Ehe eingeht, und
bei Schließung dieser Ehe einer der beiden Ehegatten weiß, daß der tot
Erklärte die Todeserklärung überlebt hat, während der andere sich
in gutem Glauben befindet, indem er keine Kenntnis von dieser
Tatsache erlangt hat.

8) Das Gegenteil nimmt im Einklänge mit der herrschenden Meinung.
Friedberg, Lehrb. des kath. u. ev. Kirchenr. (6) 439 Note 26, an, ohne dem
etwaigen guten Glauben des neuen Ehegatten des tot Erklärten zu berück-
sichtigen. Er will aber hinwiederum die Ehe, welche der tot Erklärte nach Lösung
seiner früheren Ehe geschlossen hat, als gültig erachtet wissen. Um dem
Dilemma zu begegnen, daß unter diesen Umständen der für tot Erklärte sich
im legitimen Besitze zweier Ehegatten befinde, bleibt seiner Ansicht nach mtr
der Ausweg, daß man die Gültigkeit der zweiten Ehe des tot Erklärten wegen
tz 1209 BGB. so lange im Schwebezustände befindlich ansieht, bis die Anfechtung
der zweiten Ehe, welche der verlassene Ehegatte nach der Todeserklärung seines
früheren Gatten geschlossen hatte, aus einem oder dem anderen der im § 1350
Abs. 2 vorgesehenen Gründe sich als ausgeschlossen herausstellt.

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