Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 58 (1914))

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Literatur.

gemeine Beistandspflicht (als Zufallspflicht) genüge als
solche nicht (S. 77).
Nach Ausscheidung der Fälle der reinen Nothilfepflicht verbleiben
nach Traeger für die Annahme einer speziellen Rechtspflicht als erste
Gruppe die Fälle, in denen die Rechtspflicht zum Handeln auf be-
sonderer Anordnung des Rechtes, sei es unmittelbar auf Gesetz,
sei es mittelbar infolge eines Rechtsgeschäfts beruht, als zweite
Gruppe die übrigen Fälle, für die sich keine besondere Vorschrift im
Recht findet, wo die Rechtspflicht sich vielmehr „auf ein voran-
gegangenes Tun" gründen solle.
Aus der ersten Gruppe hebt Traeger zunächst die durch das Straf-
gesetzbuch ausdrücklich normierten Fälle der unechten Unterlassungsdelikte
hervor, die Fälle der §§ 121, 179, 316 Abs. 2, 318 Abs. 2, 345,
347, 354, 355, 357 StGB, und erörtert sodann, daß unmittelbar auf
Gesetz beruhende Rechtspflichten zum Handeln, die die Verantwortlichkeit
für die Nichthinderung des rechtswidrigen Erfolgs zu begründen ver-
möchten, auf jedem Rechtsgebiet, auf Prozeß- wie materiell-rechtlichem,
auf öffentlich-rechtlichem, wie auf privat-rechtlichem Gebiete Vorkommen
können.
Er anerkennt ferner, daß sowohl die Verletzung einer Amtspflicht,
wie auch die Verletzung einer durch Privatrechtsgeschäft übernommenen
Rechtspflicht Verantwortlichkeit wegen Unterlassung begründen könne.
Die durch Amt oder Vertrag übernommene Rechtspflicht könne nicht
nur eine spezielle, sondern auch eine Rechtspflicht allgemeiner Art sein.
Die Rechtspflicht des Unterlaffers brauche keineswegs von Anfang
an gerade darauf gerichtet zu sein, schädliche Folgen der eingetretenen
Art zu verhindern.
Für die übrigen Fälle der Rechtspflicht zum Handeln, insbesondere
der als Folge schuldloser Handlung oder von Einrichtungen und An-
lagen entstandenen Rechtspflicht bezeichnet Traeger als g ew oh nh ei ts-
rechtlichen Rechtssatz die Vorschrift, habe jemand durch schuldlose
Handlung einen gefahrdrohenden Zustand herbeigeführt,
so sei er verpflichtet, die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr schäd-
licher Folgen zu treffen. Die Rechtspflicht zum Handeln entstehe aber
auch für den, in dessen Herrschaftsbereich ein gefahrdrohen-
der Zustand entstehe, den nur er zu beseitigen vermöge,
möge dieser Zustand durch Zufall oder selbst durch die Schuld eines
anderen entstanden sein (109).
Für das zukünftige Strafgesetzbuch schlägt Traeger eine Vorschrift
etwa folgender Fassung vor:
Der Handlung steht die Unterlassung (Nichthinderung des Erfolgs)
gleich, wenn eine besondere Rechtspflicht zum Handeln besteht, gleichviel
auf welcher Rechtsquelle die Pflicht beruht. Eine besondere Rechtspflicht
zum Handeln besteht auch für den, der durch schuldlose Handlung einen
gefahrdrohenden Zustand für andere herbeigeführt hat, oder in deffen
Herrschaftsbereich ein gefahrdrohender Zustand für andere eingetreten
ist, den nur er zu beseitigen vermag. Die Verletzung einer vom Ge-

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