Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 58 (1914))

Festgaben für Ludwig Enneccerus. 517
echten Unterlassungsdelikten), sofern sie eben durch Unterlassung be-
gangen würden.
Bei den Omissivdelikten handle es sich stets um die Übertretung
von Gebotsgesetzen. Bei den Kommissiv- oder Begehungsdelikten handle
es sich um die Übertretung solcher Vorschriften, die verböten, einen ge-
wissen rechtswidrigen Erfolg herbeizuführen. Demgemäß sei ihr Tat-
bestand erst erfüllt, wenn dieser Erfolg schuldhaft herbeigeführt sei.
Unter Prüfung des Erfordernisses des adäquaten Zusammenhanges
zwischen Verhalten und Erfolg kommt Traeger zu dem Ergebnisse, man
hafte bei den durch den bloßen Erfolg qualifizierten Delikten (im Zivil-
recht also bei allen Delikten) im Falle der Nichthinderung des Erfolgs
straf- und zivilrechtlich für die Folgen, die sich als adäquate Folgen
des schuldhaft nicht verhinderten ersten schädigenden Erfolgs darstellten,
bzw. bei der Übertretung eines Schutzgesetzes im engeren Sinne zivil-
rechtlich für die Folgen, die sich als adäquate Folgen des Erfolgs,
dessen Vermeidung gerade das Schutzgesetz bezwecke, darstellten.
Das Problem der Unterlaffung findet Traeger in der Frage be-
gründet: „Wann macht die relevante schuldhafte Unterlassung gleich
der Verursachung des Erfolgs verantwortlich, d. h. die Nichtvornahme
einer möglichen Handlung, die den vom Unterlasser vorausgesehenen
oder für ihn voraussehbaren Eintritt des rechtswidrigen Erfolgs ver^
hindert hätte?"
Nach kritischer Erörterung verschiedener nach Ansicht Traegers un-
zureichender Lösungsversuche, die er folgendermaßen kennzeichnet — 1. Das
gleichzeitige Andershandeln als Ursache des Erfolgs (Lüder), 2. Die
vorangegangene Handlung die Ursache des Erfolgs (Krug, Glaser,
Merkel), 3. Das bewußte Wirkenlassen bei faktischer Herrschaft über
die Bedingungen als Ursache des Erfolgs (Aldosser), 4. Die Unter-
lassung als psychisch wirkende Ursache (Geyer, Aldosser, Finger), 5. Die
Unterlassung als Vernichtung einer abhaltenden Bedingung (v. Buri,
Ortmann, Binding, Hälschner), 6. Die Rechts- oder Quasikausalität
der Unterlassung (v. Rohland, Köhler, v. Bar) — wendet sich Traeger
selbst der Lösung der Aufgabe zu.
Von dem Erfordernisse der Rechtspslichtswidrigkeit der Unter-
lassung ausgehend, erachtet Traeger eine Verantwortlichkeit für die Nicht-
hinderung des verhinderbaren Erfolgs nur für begründet, wenn die
Verhinderung des schädlichen Erfolgs rechtlich geboten ist, dem all-
gemeinen Rechtsgesühl aber es allein entsprechend, daß überall dort,
wo es sich ausschließlich um die Verletzung einer reinen Nothilfspflicht
handle, stets nur die hierfür vom Gesetzgeber festgesetzte geringe Strafe
als verwirkt gelten könne, möge auch der Eintritt des schädlichen Er-
folgs vorausgesehen sein.
Hiernach kommt Traeger zu dem Grundsätze, der Verursachung
des rechtswidrigen Erfolgs stehe die Nichthinderung des Er-
folgs da gleich, wo eine besondere (spezielle) Rechtspflicht
zur Verhinderung bestehe, gleichviel welcher Rechtsquelle
die Pflicht entspringe. Eine vom Gesetze gebotene all-

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