Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 58 (1914))

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Einzelne Rechtsfälle.

ZPO. nicht genügt habe. Aber diese rechtliche Auffaffung war nicht
aufrecht zu erhalten, sie findet in der unbestrittenen Vereinbarung,
welche die Parteien über das schiedsgerichtliche Verfahren getroffen
haben, keine sie tragende Stütze. Vielmehr ist die Schiedsgerichts-
klausel dahin zu beurteilen, daß sich die Parteien einem einheitlichen,
gegebenenfalls in zwei Stadien verlaufenden Verfahren unterworfen
haben. Es sind zunächst die beiden, von ihnen zu ernennenden
Schiedsrichter zur Entscheidung berufen. Einigen sie sich über den
zu fällenden Spruch, so kommt damit das Verfahren zum Abschlüsse.
Fehlt es an dieser Einigung, so tritt der Obmann ein. Mit der Er-
nennung bzw. Herbeiführung der Ernennung des Obmanns durch die
Handelskammer in B. sind zwar die schiedsrichterlichen Funktionen
der beiden ernannten Schiedsrichter beendet, aber das von ihnen ein-
geleitete schiedsgerichtliche Verfahren bleibt anhängig. Es wird vom
Obmanne fortgeführt, er hat dann allein, wie es in der Schieds-
gerichtsklausel heißt, das Urteil zu fällen. Dem Berufungsgericht
ist nicht darin zu folgen, daß, weil der Obmann nicht als Dritter
mit den beiden uneinigen Schiedsrichtern zur Herbeiführung eines
Mehrheitsbeschlusses zusammenzuwirken hat, das Verfahren vor ihm
als ein neues zu beurteilen ist. In der Regel wird allerdings bei
Ernennung zweier Schiedsrichter dem für den Fall ihrer Uneinigkeit
bestellten Obmanne nicht die alleinige Entscheidung, sondern nur die
ausschlaggebende Stimme bei der Fällung des Spruches übertragen.
Daß hier — wie es im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien
zulässig ist — dem Obmann eine besondere Stellung mit weiter-
gehenden Befugnissen eingeräumt ist, rechtfertigt die Annahme nicht,
daß der Obmann damit außerhalb des durch die Ernennung der
ersten Schiedsrichter anhängig gewordenen Verfahrens gestellt wird.
Zm Schiedsvertrage sind nicht zwei Schiedsgerichte eingesetzt, sondern
es ist die Gestaltung eines Verfahrens vereinbart. Bei zwischen
den beideü ersten Schiedsrichtern entstehender Uneinigkeit soll das
Verfahren vor ihnen kein ergebnislos verlaufendes und damit das
vor ihnen Verhandelte bedeutungslos sein, sondern die Schiedsrichter
haben dann selbst durch die Herbeiführung der Ernennung des Ob-
manns das vor ihnen anhängige Verfahren in sein zweites, im Ver-
trage vorgesehenes Stadium überzuleiten. Das so übergeleitete Ver-
fahren ist kein neu beginnendes, sondern setzt das vor den ersten
Schiedsrichtern begonnene, aber nicht zum Abschlüsse gelangte Ver-
fahren fort.

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