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sondern auch ungerecht sein, weil er den Gutsbesitzer nicht
allein mit einem neuen Beweise belastet, sondern ihn, wie
nachher näher bemerkt werden wird, an seinen materiellen
und formellen Rechten bedeutend verkürzt. Rechte und Be-
fugnisse werden unmittelbar aus den Gesetzen erworben-
ohne daß es zur Erwerbung derselben erst noch desHinzu-
tritts eines speziellen Titels bedarf. Oder soll der Gutsbe-
sitzer .beweisen, daß das Gesetz auf seinem Gute
gelte? Dann verstößt diese Zumuthung gegen den oben
erwähnten Grundsatz, daß die Gültigkeit eines Gesetzes für
den ganzen geographischen Umfang, für welchen es gege-
ben ist, vermuthet werden, und daß der, welcher sie be-
streitet- darüber den Beweis führen müsse. Wie würde
inan über einen Gutsherrn urtheilen, welcher behauptet,
das Gesetz über die Aufhebung der Unterthänigkeit und der
auf derselben beruhenden Dienste gelte nicht auf seinem Gu-
te, die Einwohner müßten dessen Lokal-Gültigkeit erst bewei-
sen? Oder soll bewiesen werden, daß der Gutsh er.r seine
gesetzliche Befugniß ausgeübt habe? Hier würden
zwar Ansichten gedacht werden können. Einmal die, daß
dem Gutsherrn sein landesgesetzliches Recht
erst v.ermöge dessen Ausübung zustehe und er
gleichsam in Besitz desselben sich setzen müsse.
Diese Ansicht würde der Rechtstheorie so widersprechen, daß
sie nicht vermuthet werden,darf; die Ausübung eines Rechts
ist-ras merae facultatis sind kann durch Nichtgebrauch
nicht verloren gehen; es würde dem jetzigen Gutsbesitzer
mit gleichem Rechte ^zustehen, durch Ausübung feiner gesetz-
lichen Befugniß dasselbe zu erwerben, als es vor zehn Zäh-
ren seinem Vorfahren zustand. Zweitens würde dieser
Beweis aber auch in.Rücksicht auf Verjährung gefor-
dert werden können. Dieser Ansicht steht vorweg entgegen,
daß dem Gutsherrn, gegenüber Niemand -steht, zwischen
welchem und ihm eine.Verjährung des gutsherrsichen Rechts
im A l l g e meinen und anders- alsfür jeden einzelnen Schutz-
pflichtigen entstehen, kann. ($. 4.) Welche Verjährung sollte
aber bezweckt werden? die .Ersitzung ist, wenn die Bc-
fugniß des Gutsbesitzers auf dem Gesetze beruht, von vorn
herein als ungedenkbar, weil diese Befugniß schon vermöge
des Gesetzes erworben ist, mithin nicht erst durch Ersitzung