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Einzelne Rechtsfälle.
Schriftstellern gelehrt, daß der Streit über die Gültigkeit des Prozeß-
vergleichs in dem bisherigen Prozesse zum Austrage gebracht werden
könne und zu diesem Zwecke die Ladung des Gegners zur weiteren
mündlichen Verhandlung gemäß § 214 ZPO. zulässig sei. Der
wichtigste Grund daftir ist, daß der Vergleich seine prozeßerledigende
Wirkung nur haben könne, wenn er formell und inateriell gültig sei.
Der Senat kann sich dieser Ansicht in solcher Allgemeinheit nicht an-
schließen. Bereits in dem Beschlüsse II B 96/95 vom 14. Juni 1895
— veröffentlicht in ZW. 95, 359* — hat sich das NG- II- ZS.
dahin ausgesprochen, daß nach Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs
eine Fortsetzung des dadurch erledigten Rechtsstreits nicht möglich
sei. Ob dem in allen Fällen beizutreten wäre, braucht nicht geprüft
zu werden. Zur Entscheidung steht jetzt nur der Fall, wo eine Partei
behauptet, daß der Prozeßvergleich wegen Betrugs und Irrtums an-
fechtbar und angefochten worden, daher nichtig sei. und den Gegner-
in: bisherigen Prozesse zur Verhandlung über dieses Vorbringen
laden will. Der durch gerichtliches Protokoll sestgestellten Tatsache
des Vergleichs stehen also zunächst nur illiquide Parteibehauptungen
gegenüber. Selbst wenn der Ansechtende schließlich durchdringt, so
bedarf es doch eines vorgängigen Verfahrens, bis die Nichtigkeit des
Vergleichs und damit der Wegfall seiner prozeßbeendigenden Wirkung
sestgestellt werden könnte. Es ist nicht anzunehmen, daß nach der
Absicht des Gesetzes die völlig klare Prozeßposition, welche durch den
Vergleichsabschluß gewonnen nwrden ist, zugunsten eines solchen,
noch unentschiedenen Verfahrens sollte aufgegeben werden müssen.
Dazu kommt, daß sich das Vorbringen des Beklagten auch als
unschlüssig oder unwahr erweisen kann. Dann würde das nachträg-
liche Verfahren zugelassen worden sein in einem Falle, wo auch die
entgegengesetzte Ansicht nicht bestreiten könnte, daß der Rechtsstreit
bereits durch den Prozeßvergleicb vollständig erledigt und die Rechts-
gültigkeit endgültig beseitigt war. Für die Möglichkeit eines solchen
Verfahrens bietet die Zivilprozeßordnung keinen Anhalt.
Der Senat läßt es daher dahingestellt, ob nach Abschluß eines
den gesamten Rechtsstreit beendigenden Prozeßvergleichs die Zulässig-
keit einer Fortsetzung des Verfahrens dann gegeben wäre, wenn die
Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an feststände. Für einen
Fall aber, wie er hier vorliegt, wo die Nichtigkeit noch unentschieden
ist und erst durch die weitere Verhandlung sestgestellt werden soll, muß ein
solches nachträgliches Verfahren als ausgeschlossen angesehen werden.