Nichtigkeit eines Prozeßvergleichs.
429
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Verfügung des Vor-
sitzenden des IV. Zivilsenats des sächsischen Oberlandesgerichts zu
Dresden ist zurückgewiesen.
Gründe:
Infolge Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Land-
gerichts Leipzig ist der Rechtsstreit der Parteien in II. Instanz bei
dem IV. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden anhängig ge-
worden. Zn der mündlichen Berufungsverhandlung vom 11. April
1905 haben die Parteien sich verglichen.
Am 14. Juni 1905 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten
zum Zwecke der Terminsbestimmung einen vom 13. Juni datierten
Schriftsatz eingereicht, worin, mit der Begründung, daß der Vergleich
wegen arglistiger Täuschung der Beklagten durch die Klägerin ev.
wegen Irrtums nichtig sei, diese zur Fortsetzung der mündlichen
Verhandlung in dem anzuberaumenden Termine geladen war. Die
Anberaumung dieses Termins ist von dem Vorsitzenden des IV. Zivil-
senats durch Verfügung vom 16. Juni 1905 abgelehnt worden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Der Be-
schmerdeantrag lautet:
unter Aufhebung des bezeichneten Beschlusses die Anberaumung
eines Verhandlungstermins auf die eingereichte Ladung vom 13. Juni
d. Z. zu veranlassen.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO.), sie ist aber
sachlich nicht begründet.
Durch den Prozeßvergleich vom 11. April 1905, der den Rechts-
streit seinen! ganzen Umfange nach umfaßt hat, ist dieser, ohne daß
es einer gerichtlichen Entscheidung bedurfte, erledigt und die beim
Berufungsgerichte begründete Rechtshängigkeit erloschen. Zn Über-
einstimmung mit der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht,
die auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts Anerkennung ge-
sunden hat, ist davon auszugehen, daß der Prozeßvergleich nicht
Urteilsnatur hat, sondern neben dem, daß er Prozeßhandlung ist,
seinem Wesen nach, wie jeder Vergleich, auf einem Vertrage beruht.
Es kann daher gellend gemacht werden, daß der Prozeßvergleich aus
Gründen des materiellen Rechtes nichtig oder anfechtbar sei. Dies
wird von der angefochtenen Verfügung nicht verkannt, sie meint aber,
daß dies nicht in dem durch den Vergleich endgültig erledigten Pro-
zesse, sondern nur in einem neuen Rechtsstreite geschehen könne.
Zm Gegensätze zu dieser Ansicht wird von mehrerm namhaften