Handelsrechtlicher Selbsthilfeverkauf.
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(Urteil des Reichsgerichts (II. Zivilsenats) vom 27. Juni 1905 in Sachen der
Firma B., Klägerin, wider Firma Z., Beklagte. II. 619/1904.)
Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des preuß. Ober-
landesgerichts zu Hamm — unter Zurückweisung der Revision im
übrigen — insoweit aufgehoben, als die Klage für mehr als 1102,35 M.
nebst Zinsen hiervon abgewiesen worden ist. In diesem Umfang
ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Gemäß Schreiben der Parteien vom 7. Januar 1901 verkaufte
die Klägerin der Beklagten „zur Lieferung vom I. Januar bis
31. Dezember 1901 ab Bochumer Koks- und Kohlenwerke Weitmar
monatlich 50 Tonnen Ia Hochosenkoks zum Preise von 215 M.
pro 10 Tonnen loko netto Kasse". Zufolge Briefe der Parteien
vom 8. bzw. 9. Juni 1901 verkaufte die Klägerin der Beklagten
weiter „ab Bochumer Koks- und Kohlenwerke Weitmar 28 Doppel-
wagen Brechkoks 40/60 mm und 60/90 mm zu 200 M., lieferbar
vom Juni 1901 bis inkl. Dezember 1901". Die Abnahme sollte zu
Vs und % der Mengen pro 10 t loko netto Kasse erfolgen und gleich-
mäßig verteilt werden. Die Beklagte nahm bis Juni 1901 50 Tonnen
Hochofenkoks und im Juni 1901 42 V2 Tonnen Brechkoks ab. Im
Juli 1901 erklärte die Klägerin wegen Differenzen mit den Bochumer
Koks- und Kohlenwerken zu der von der Beklagten gewünschten
Weiterlieferung von Koks sich außerstande und schrieb unterm 12. Juli
1901 auf das Ersuchen der Beklagten um Weilerlieferung, sie möge
sich, wenn die betreffenden Wagen an den betreffenden Tagen nicht
an sie abgingen, solche anderweitig beschaffen; sie, Klägerin, überlaffe
ihr solches vollständig. Wenige Tage nach dem 12. Juli 1901 fand
eine Besprechung zwischen den Parteien in Hagen statt. Rach Be-
hauptung der Beklagten ist bei dieser Gelegenheit vereinbart worden,
daß beide Abschlüsse als erledigt angesehen werden sollten, auch eine
Weiterlieferung des Koks nicht erfolgen solle. Hingegen ist nach Be-
hauptung der Klägerin nichts weiter vereinbart, als daß die Beklagte,
solange die Klägerin zur Lieferung außerstande sei, sich anderweit
decken solle. Weitere Verhandlungen der Parteien fanden nun nicht
statt, bis die Klägerin im November 1901 die Beklagte zu weiteren
Abnahmen aufforderte. Beklagte lehnte dieses ab. Die Klägerin
sandte am 6. November 1901 20 Tonnen Hochofenkoks, am 12. Novem-
Beiträge, 50. Iahrg. 2. u. 3. Heft. 26