Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 50 (1906))

Der befreite Vorerbe und der Beweis der Negative beim Grundbuche. 67
cr seine Erklärung — statt in die Form eines Anerkenntnisses der
Entgeltlichkeit — in die Form einer Bewilligung gefaßt hat, fordert
das GBA. wohl auch noch die Genehmigung des Vormundschafts-
gerichts; die Erklärungen, die aus dem Auslande zu beschaffen sind,
müssen dort mit großen Kosten ausgestellt und konsularisch beglaubigt
werden, und, wenn einer der Überrestnacherben die Zustimmung ver-
weigert, dann muß deren Ersatz durch Urteil im Prozeßwege herbei-
geführt werden. Also: das, was der Testator hat erreichen wollen,
nämlich den von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 befreiten
Porerben gegen alles Dreinreden der Nacherben zu sichern und ihn
gerade beim Grundbuch in seiner Verfügungsbefugnis vollständig
frei hinzustellen und die Schwierigkeiten und Kosten der Zuziehung
der Nacherben zu vermeiden: das soll — obwohl das materielle
Recht dem Erblasser die Möglichkeit zur Gewährung solch freier
Stellung an den Vorerben in den §§2136ff. gibt — durch den
formellrechtlichen § 52 GBO. unerreichbar gemacht sein.^) Wäre
dem so, dann wäre das wieder ein Fall, in welchem das Nechts-
bewußtsein des Volkes ganz offenbar mit dem Juristenrechte nicht mehr
im Einklänge stünde, es wäre in diesem Punkte ein unbrauchbares, den
Interessen der Beteiligten nicht entsprechendes Recht gegeben.
Deshalb mag es nicht ungerechtfertigt erscheinen, wenn der
Frage nachzugehen versucht wird, ob nicht doch die ältere Ent-
scheidung v. 22. 12. 02, wie sie auf den ersten Blick als die ge-
sündere und allein dem praktischen Bedürfnis entsprechende erscheint,
auch die richtigere ist.
4) Man darf nicht sagen: Der Vorerbe brauche ja nur sein und des Nach-
erben Recht eintragen zu lassen; dann müßten seinen verfügenden Erklärungen
auch die entsprechenden Eintragungen im Grundbuche folgen. Denn, erstens
träfe das bei Löschungen nicht zu. Außerdem aber weiß jeder, der in der Praxis
des täglichen Lebens steht, daß ein Grundstück mit Nacherbenvermerk in Abt. II
nahezu unverkäuflich ist, daß für eine Hypothek, die nur unter Vorbehalt der
Rechte von Nacherben umgeschrieben werden kann, sich kein Geldgeber findet,
lind zwar um so weniger, je schwieriger es im konkreten Falle erscheint, die
zustimmenden oder die die Löschung des Nacherbenrechtsvermerkes bewilligenden
Erklärungen der Nacherben zu beschaffen.
Die Unterscheidung, welche Meikel, Recht 05, 186 macht, ob der Vorerbe be-
schränkt (unter der Bedingung der Unwirksamkeit gemäß § 2113) oder unbe-
schränkt verfügt, gibt es in der Praxis nicht. Der Wille geht immer dahin, mit
voller Wirkung für den Erwerber zu verfügen. Die Annahme von Meikel
(ebenda 188), daß dies die Ausnahme bilde, widerspricht den wirklichen Ver-
hältnissen des Lebens.

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