66 Der befreite Vorerbe und der Beweis der Negative beim Grundbuche.
ausgeführt wird, die obigen Grundsätze entsprächen der ständigen
Rechtsprechung des Kammergerichts, der im Beschlüsse vom 22. De-
zember 1902 (Rspr.6,182, KGJ. 25A278) angenommenen Grundsatz,
aus dem Grunde der bloß möglichen Unentgeltlichkeit (ohne daß
der besondere Fall Anlaß zu einer solchen Vermutung gebe, oder
wegen Vorliegens eines rein abstrakten dinglichen Rechtsgeschäfts
die Frage der Entgeltlichkeit sich nicht prüfen lasse) bedürfe es zu
einer Verfügung des befreiten Vorerben der Mitwirkung des
Nacherben nicht,
sei aufgegeben.
In diesem Beschlüße vom 22. 12. 02 handelte es sich um die
Löschung einer für den Erblasser eingetragenen Hypothek auf Grund
einer Löschungsquittung des befreiten Vorerben. Da diese Ent-
scheidung aufgegeben ist, so hat die Praxis angenommen, daß das
Kammergericht nicht bloß bei Auflassungen, sondern zu jeder Ver-
fügung eines befreiten Vorerben beim Grundbuche die Zustimmung
des Nacherben oder dessen vorgängige Eintragung, zu Löschungen
aber — da durch sie das Recht vollständig aus dem Grundbuche
schwindet, und die Löschung nicht rückgängig gemacht werden kann
— stets die Zustimmung des Nacherben fordern würdet) und es
haben sich daraus in der Praxis große Schwierigkeiten und Be-
lästigungen für die Beteiligten ergeben.
Während das BGB. die gewöhnliche Vorerbschaft als die Regel,
und die befreite Vorerbschaft als die Ausnahme behandelt, ist es in
Wirklichkeit bekanntlich umgekehrt. Die Regel bildet die befreite
Vorerbschaft, und der typische Fall dieser befreiten Vorerbschaft ist
die aus gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten,in denen
der Überlebende zum befreiten Vorerben, die Kinder oder sonstigen
beiderseitigen Verwandten zu Überrestnacherben eingesetzt sind auf
den Fall des Todes oder auch auf den Fall der Wiederverheiratung
des Überlebenden. In der Regel sind von den Kindern etliche noch
minderjährig und von den volljährigen nicht selten mehrere im Aus-
lande. Da muß — um die Zustimmung der Nacherben zu der
Verfügung, die der befreite Vorerbe vorhat, zu beschaffen — der
Vormundschaftsrichter in Bewegung gesetzt, es muß den Minder-
jährigen ein Pfleger bestellt und dieser gehört werden, und, wenn
2) So ist in der Tat neuerdings auch entschieden. KG. 6. 3. 05, Rspr.
10, 448.
3) Vgl. Prot. z. BGB. 6748 bei Mugdan 5, 568.