Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 60 (1916))

Von der qualitativen Unmöglichkeit beim Kaufe einer bestimmten Sache. 611

aber infolge einer behördlichen Anordnung der Bebaubarkeit ent-
behrt (Urt. des RG. in IW. 12, VI10). In solchen Fällen wäre der
Vertragszweck, wiewohl die bestimmte Kaufsache an und für sich in
ihrem ganzen Umfange gewährt werden konnte, trotz ihrer Gewährung
doch nicht in vollem Maße, sondern nur teilweise erreichbar gewesen
und erreicht worden. Unter ganz besonderen Umständen kann freilich
die mangelhafte Beschaffenheit der Kaufsache auch einen so weitgehenden
Einfluß auf diese ausüben, daß um deswillen eine völlige Vereitelung des
Vertragszwecks und daher auch eine Unmöglichkeit der geschuldeten
Leistung im ganzen anzunehmen sein würde. Man denke etwa daran,
daß das Wohngebäude, das den Hauptgegenstand des Kaufes bilden
sollte, wegen gefährlicher Baufälligkeit schon im Zeitpunkte des
Vertragsschlusses polizeilich überhaupt geschloffen gewesen wäre,
oder aber wegen erst nachträglich, indes noch vor der Leistung
(§ 446) eingetretener Ereignisse demnächst geschloffen werden
würde; ferner etwa an den Fall, daß dem zur Bebauung gekauften
Grundstücke die zugesicherte Eigenschaft der Bebauungsfähigkeit,
sei es von Anfang an, sei es wegen nachträglich ergangener behörd-
licher Anordnung durchweg entzogen wäre. Hier hätten der dem
Gebäude anhaftende Fehler und im anderen Falle der Mangel der
zugesicherten Eigenschaft zur Folge, daß die vorhandenen Grund-
stücke ihrer wirklichen Beschaffenheit nach und der Anschauung des
Verkehrs gemäß überhaupt nicht mehr das darstellen würden, was
nach dem Vertrage Kaufgegenstand sein sollte, daß die Grundstücke
vielmehr im rechtlichen Sinne als ein zur Erfüllung unfähiges aliuä
gelten müßten. — Vgl. Krückmann in LeipZ. 15, 1562. Für mich
unterliegt es sonach keinem Zweifel, daß auch die qualitative
Unmöglichkeit eine Unmöglichkeit bedeutet, welche an sich die
Anwendung der in den §§ 306—308 und 323—325 vorgesehenen
Rechtsbehelfe gestatten würde.
Jndeffen auch bei dieser Auffaffung könnte die Anwendbarkeit
des Unmöglichkeilsrechts neben dem Gewährschaftsrecht immer noch
zweifelhaft sein. Denn es wirft sich die Frage auf, ob nicht das
letztere Recht erschöpfend sei und aus diesem Grunde für das andere
Recht keinen Raum laffe. (Vgl. Oertmann, Komm. Vorbem. 2 vor
§ 459.) Titze, Unmöglichkeit der Leistung, stellt sich schlechthin auf
den verneinenden Standpunkt (206). Daß es überhaupt möglich ist,
auch solche Fälle nach den Regeln des Gewährschaftsrechts zu ent-
scheiden, die zugleich den Tatbestand einer qualitativen Unmöglichkeit
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