Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 60 (1916))

Anzeigepfiicht des Standesbeamten, Haftung des Staates. 503
dem Mündel nicht sein sollen, sondern etwa nur innerdienstliche,
instruktionelle Vorschriften. Der Waisenrat hat allerdings Anzeige
zu machen nur, wenn er von einem Falle, in dem ein Vormund,
ein Gegenvormund oder ein Pfleger zu bestellen ist, Kenntnis er-
langt; wie es sich mit seiner Amtspflicht verhält, braucht nicht ent-
schieden zu werden. Der Standesbeamte aber erhält regelmäßig
Kenntnis von den betreffenden Personenstandsveränderungen, und er
beurkundet sie sogar; seine Anzeigepflicht hat in erster Linie und
ständig den Vormundschaftsrichter über das Anwachsen der eine Vor-
mundschaft erfordernden Fälle auf dem laufenden zu halten; sie ist
für die Anordnung der Vormundschaft und für die Jntereffen des
Mündels der unentbehrliche Anstoß und der erste Schutz. Die Ver-
antwortlichkeit des Standesbeamten gegenüber dem Mündel nach
§ 839 muß mit den Instanzen bejaht werden.
Mit Recht nehmen beide Instanzen an, daß der Standesbeamte
in W. die Anzeige von der Geburt des Klägers verspätet erstattet
hat. Der Berufungsrichter nennt die Verspätung eine weitgehende
Verzögerung; das Landgericht meint, die Anzeige hätte mindestens
binnen zwei Wochen geschehen sollen. Nach dem den §§ 48/50 zum
Vorbild dienenden § 16 PrVormundschaftsO. vom 9. Zuli 1875 war
die Anzeige unverzüglich zu machen. Mehrere Bundesstaaten haben
zur Ausführung des § 48 vorgeschrieben, daß die Anzeige des
Standesbeamten binnen 24 Stunden abzusenden sei. Der § 48 muß
dahin verstanden werden, daß die Anzeige unverzüglich zu erfolgen
hat; denn es versteht sich von selbst, daß alle Amtspflichten ohne
schuldhaftes Zögern zu erfüllen sind (vgl. Schlegelberger, Komm.FGG.
369 Nr. III). Nur unter ganz besonderen hindernden Umständen
wird dem Standesbeamten eine Frist von höchstens einer Woche noch
zugebilligt werden können.
Ob solche besonderen Umstände hier Vorlagen, ist ohne Belang.
Auch bei einer Anzeige erst binnen einer Woche wäre der vom Vor-
munde des Klägers ausgebrachte Arrest der Pfändung von seiten der
Gerichtskaffe zuvorgekommen, wie der Berufungsrichter nicht verkennt;
es ist nichts dafür vorgebracht noch ersichtlich, daß die Maßnahmen
des Vormundes und des Vormundschaftsrichters sich bei früherer
Anzeige nicht mit derselben Schnelligkeit abgespielt hätten, wie nach
der Anzeige vom 12. August 1913 tatsächlich geschehen ist.
Der Berufungsrichter meint aber, die Erlangung des Arreste»
und deffen Wirkung wären nur zufällige, aus dem Bereiche der ge-

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