Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 60 (1916))

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Aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts.

Sachlage dafür, daß der Beklagte die 7000 Brotbeutel ohne jede
Rücksicht auf eine weitere Lieferungsverpflichtung, die ihm oblag, bei
der Klägerin bestellt habe. Freilich wäre es an sich denkbar, der
Beklagte habe bereits am 10. Oktober annehmen können, daß ihm
eine Bestellung auf 7000 Brotbeutel bevorstand; hierfür sei aber
nichts erbracht, und der Beklagte habe es nicht einmal behauptet.
Bei dieser Sachlage könne der Beklagte sich nicht darauf stützen, daß
er infolge des Rücktritts der Firma H. für die 7000 Brotbeutel
keine Verwendung und demgemäß an der Erfüllung des Vertrags
seitens der Klägerin auch kein Interesse mehr gehabt habe.
Zutreffend rügt der Revisionskläger, zu Unrecht und unter
Verletzung des § 286 ZPO. habe das Berufungsgericht feine . . .
Behauptung übersehen, er habe der Klägerin ausdrücklich nütgeteilt,
daß er die 7000 Stück Brotbeutel an einen Privatabnehmer ver-
kauft habe und sie zur Lieferung für diesen Abnehmer gebrauche.
Deshalb habe, wenn er durch das schuldhafte Nichtliefern seitens der
Klägerin in die Unmöglichkeit versetzt wurde, gemäß dem bestehen-
den Abschlüsse mit der Firma Emil H., auf Grund dessen er
einzig und allein die 7000 Brotbeutel bestellt hatte, diese 7000
Brotbeutel der Firma H. zu liefern, für ihn keinerlei Verpflichtung
bestanden, darüber hinaus noch weitere Schritte zu unternehmen,
um eine andere Absatzmöglichkeit für diese Brotbeutel zu suchen.
Die übergangene Behauptung war auch erheblich, weil sie ge-
eignet ist, einen engen ursächlichen Zusammenhang zwischen den
beiden fraglichen Geschäften zu begründen. Nach § 326 Abs. 2 BGB.
bedarf es der Fristsetzung nicht, wenn die Erfüllung des Vertrags
infolge des Verzugs für den Gläubiger kein Interesse hat. Ob
diese Voraussetzung zutrifft, ist nach den gesamten Umständen des
einzelnen Falles zu entscheiden. Das Interesse an ver Erfüllung
des Vertrags deckt sich, wie der erkennende Senat bereits wieder-
holt entschieden hat (vgl. SeuffA. 60, 190; HoldheimsMSchr. 16,
233 ff.), nicht mit dem Interesse an dem Gegenstände der geschuldeten
Leistung. Die Bestimmung des § 326 Abs. 2 ist nicht in dem
engen Sinne aufzufaffen, daß die geschuldete Leistung für den
Gläubiger gar kein Interesse mehr hat. Denn einen gewissen Wert
wird die geschuldete Leistung für den Gläubiger .in vielen Fällen
noch haben, auch wenn sie dem Vertragszwecke nicht mehr dienen
kann. Wäre die Vorschrift in dem engen Sinne zu verstehen, so
würde sie dem Bedürfnisse des Rechtsverkehrs nicht gerecht und in

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