Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 60 (1916))

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Levin.

ihr Interesse sei ungleich mehr gewahrt als das der Parteien.
Allerdings wird, wenn die Grundsätze der Verordnung beibehalten
werden, eine wesentliche Abwanderung von Landgerichtssachen an
das Amtsgericht nicht zu befürchten sein, weil damit der Wider-
spruch durch Wegfall des Anwaltszwangs erleichtert würde. Aber
die Lage der Amtsgerichtsanwälte wird sicher ungünstig durch die
Verordnung beeinflußt werden. Das hat auch v. Miltner richtig
erkannt und hervorgehoben (LeipzZ. 15, 1272): Die Verordnung
müsse sowohl in ihrer Gesamtwirkung als vermöge einzelner ihrer
Vorschriften, z. B. des § 19, auf eine Schmälerung der Gebühren-
einnahmen der Rechtsanwälte hinauslaufen. Es sei zu bedauern,
daß es der Verordnung anscheinend nicht möglich gewesen sei, auch
in Ansehung der Rechtsanwaltsgebühren den Gesichtspunkt der Ab-
hilfe wirtschaftlicher Schädigung vorwalten zu lassen (vgl. auch
Klotzsch, IW. 15, 122!, und vor allem Kaufmann, IW. 15, 1237,
Die Entlastnngsverordnung und die Anwaltschaft). Das ist in der
Tat ein gewichtiger Umstand, der dazu nötigt, rechtspolitische Maß-
nahmen zu erwägen, die den Widerstreit der Interessen des einzelnen
Standes mit denjenigen der Gesamtheit beseitigen. Nach der von
dem Deutschen Anwallverein im Jahre 1913/14 veranstalteten Um-
frage (vgl. Zugabe zu den „Nachrichten für die Mitglieder des
Deutschen Anwaltvereins Nr. 6 vom Juni 1914) ist das jährliche Rein-
einkommen des Landgerichtsanwalts im Durchschnitt auf nicht mehr
als 4398,04 M., das des Amtsgerichtsanwalts auf nicht mehr als
3296,65 M. zu schützen (vgl. auch Prael, Mitteilungen für Amts-
gerichtsanwälte 14, 49ff.). Angesichts dieser Zahlen kann m. E. die
Frage einer angemessenen Erhöhung der Anwaltsgebühren nicht
länger verschoben werden. Vor allem sind aber die Schranken zu
beseitigen, die der auch wirtschaftlich in zahlreichen Fällen gebotenen
Mitwirkung der Anwaltschaft vor den Sondergerichten entgegen-
stehen, und nicht minder dringend ist das Bedürfnis nach wirksamen
Maßregeln gegenüber dem in der Ausbreitung des Rechtskonsulenten-
tums liegenden unlauteren Wettbewerb.
4. Geschichtliches. Rechtszustand in den anderen
Kulturstaaten.
Die Erkenntnis, daß Rechtsberatung und Rechtsvertretung nicht
als freies Gewerbe jedermann überlassen werden dürfen, tritt uns
in der preußisch-deutschen Rechtsgeschichte schon früh entgegen. Her-

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