Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 60 (1916))

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Kraft.

wird sich nur auf dem Wege finden lasten, daß man den künstlichen
Begriff des polizeimäßigen Eigentums, wenigstens im Zusammen-
hänge der Hier zur Betrachtung stehenden Rechtsfrage, fallen läßt
und im Anschluß an Wolzendorff (vgl. letzte Anm.) wieder zu dem
§1011.17 als Ausgangspunkt zurückkehrt. „Die nötigen An-

gründen versucht habe; es ist lediglich eine naturrechtliche Pflicht, die daher als
solche keine positiv-rechtliche Geltung beanspruchen kann. Die Verpflichtung des
einzelnen gegenüber der Polizei ist keine andere als diejenige der allgemeinen
Gehorsamspflicht gegenüber den Behörden, die im Rechtsstaate beschränkt ist
aus den Gehorsam gegenüber rechtmäßigen Anordnungen. Gesetzmäßige
Anordnungen der Polizei sind aber nur diejenigen, die sich stützen auf
§1011, 17 ALR."
") 3nterefjant ist hierzu folgende rechtsgefchichtliche und dogmatische Er-
örterung von Wolzendorff „Die Grenzen der Polizeigewalt" (1905, Marburg)
II 79: „ ... Im preußischen Recht hat seit der VO. vom 26. Dezember 1808
— dort ist die exekutive Gewalt im § 48 geregelt, dieser aber unterscheidet in
keiner Weise zwischen Sicherheits- und Wohlfahrtszweck — nachweislich ein
anderer Begriff der Polizei gegolten als der im § 10 II. 17 ALR. festgestellte.
Allerdings ist dieser § 10 niemals aufgehoben worden, aber er hat nicht mehr,
zum mindesten nicht mehr in der vom Gesetzgeber gewollten und nunmehr vom
OVG. angenommenen Bedeutung, Geltung im positiven preußischen Recht von
1808 bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gehabt. Insofern also beruht
die Rechtsprechung des OVG. — beginnend mit der Entsch. vom 14. Juni 1882
indem sie das Bestehen jener Grenzen der Polizeigewalt aus der fortdauernden
Rechtsgültigkeit des § 10 II. 17 herleitet, auf irrigen Voraussetzungen. Trotzdem
ist sie nicht falsch, sondern nur unrichtig begründet. Das Recht, das das
OVG angewendet hat, besteht, aber es beruht nicht auf dem ALR. Es beruht
auf der allgemeinen Rechtsüberzeugung, die nunmehr zu den Anschauungen des
ALR. zürückgekehrt ist. Denn nur auf dem rein subjektiven Element der all-
gemeinen Rechtsüberzeugung baut sich die ganze Rechtsordnung auf (Jellmek).
Allein aus dieser Überzeugung, die im Naturrecht") zu Tage tritt, war das all-
gemeine Polizeirecht entstanden, ehe es im ALR. ein Bestandteil des positiven
Rechtes wurde. Ebenso tritt es jetzt wieder auf, nicht unter demselben Namen,
nicht als Naturrecht, dessen Nichtverbindlichkeit ja längst erkannt ist, aber tat-
sächlich als dasselbe: „Die tatsächlichen Verhältnisse zeigen, daß das bestehende
Recht nicht den neuen Anforderungen mehr entspricht, es entsteht das Bedürfnis
nach Reform, und diese Reformtendenzen nahmen die Kraft, zum formellen
Das Naturrecht, das als solches, d. h. als Recht nicht existiert, da
jedes Recht als notwendiges Merkmal das der Gültigkeit hat, ist praktisch doch
von großer Bedeutung. Wie viele Reformen des Staatsrechts haben wir ihm
nicht zu verdanken! Fast die ganze Lehre von den Schranken der Staats-
gewalt gegenüber der Freiheit des einzelnen beruht auf ihm, besonders auch
der Grundsatz des allgemeinen Polizeirechts, den § 10 II. 17 ALR. u a. aufge-
nommen haben.

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