Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 48 (1904))

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Abstrakte Rechtsgeschäfte.

als Fiduziar zu bezeichnen. Soll damit ausgedrückt sein, daß
dem formellen Rechte auch ein materielles entspreche, so kann dies
nur da zutreffen, wo tatsächlich auch das Grundgeschäft den Eigen-
tumsübergang bezweckt. Für den Begriff des Fiduziars würde dann
nur der Fall in Betracht kommen, wo eine Eigentumsübertragimg
auch nach Maßgabe des Grundgeschäfts ernstlich gewollt war und
nur des verfolgten Sicherungszwecks wegen dem Geschäft eine Re-
solutivbedingung beigefügt worden ist. Daß auf diese Weise ein
wahrer Kauf zustande kommen kann, wird zugegeben werden müssen;
das Wort „fiduziarisch" hat dann nicht juristische, sondern ökono-
mische Bedeutung. Wo aber der Form das materielle Recht nicht
entspricht, fragt es sich, ob über den Mangel des letzteren die Form
hinweghelfen kann. Das Wort „fiduziarisch" wirkt hier mehr ver-
dunkelnd als aufklärend; im Grunde sagt es nichts weiter, als daß
der Partei eine Verfügungsgewalt Dritten gegenüber eingeräumt
worden ist. Kaum würde jener Ausdruck eine so häufige Anwendung
gefunden haben, wie es tatsächlich der Fall ist, wenn er nicht an-
scheinend eine Erklärung dafür geboten hätte, warum in manchen
Fällen einer Prozeßpartei diese Stellung zukommt, obwohl sie sich
auf materielle Berechtigung nicht berufen kann. Drückt man die
Sache deutlich aus, so wird tatsächlich durch die Verfügungsgewalt,
welche das abstrakte Rechtsgeschäft gewährt, die Stellung des
„Fiduziars" als Prozeßpartei begründet. Die Folgen dieses Grund-
satzes sind insofern bedenklich, als die abstrakte Form häufig benutzt
wird, um dem Gegner Einreden abzuschneiden. Ein Notbehelf hier-
gegen ist durch Aufstellung des Grundsatzes versucht worden, daß
hier zur Bestreitung der Legitimation ein Jntereffe des Gegners ge-
nüge, bedenklich deshalb, weil die Regel, daß die Rechtslage einer
Partei durch ihr Jntereffe sich ändere, schwerlich ausgestellt werden
kann. Bedenklich ist auch der in einer neueren kammergerichtlichen
Entscheidung23) ausgesprochene Satz, daß „eine Übertragung des
Klaganspruchs in Wahrheit stattgefunden haben müffe", während in
jenem Falle aus der Tatsache, daß der „Zedent" die Kosten tragen
sollte und daß der ganze Verkehr mit dem Prozeßbevollmächtigten
von ihm allein ausging, gefolgert wurde, daß ein ernstliches In-
kasso-Mandat gar nicht erteilt worden sei. Dagegen ließe sich an-
führen, daß das Mandat sehr ernstlich gewesen sein mag, insofern
33) Blätter für Rechtspflege im Bezirke des Kammergerichts, Jahrg. 1903
S. 69.

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