Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 48 (1904))

9.6. Freudenberg, Die Verzeihung nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich

422

Literatur.

bald außer Anwendung zu lassende Konstruktionsmöglichkeit ist kein
„Rechtsbegriff".
Auf einem Versehen beruht wohl nur, wenn auf S. 28 allgemein
behauptet wird, daß die Eigenschaft der Unübertragbarkeit eines Rechtes
der Privatwillkür entzogen sei. Für Forderungen dürfte dieser Satz nach
s 399 B.G.B. nicht zutreffen.
Berlin. vr. Heinrici.

52.
Vir Verzeihung nach -rn Lestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs für
das Deutsche Reich. Von Dr. zur. Eduard Freudenberg. Berlin
1903. Struppe u. Winckler. (M. 2,40.)
Die kleine Schrift behandelt ein interessantes und auch praktisch
wichtiges Problem. Die Verzeihung bewirkt nach dem B.G.B. den
Ausschluß des Widerrufs bei der Schenkung (532), das Erlöschen des
Rechtes auf Ehescheidung in den im Z 1570 bezeichneten Fällen, ferner
das Erlöschen des Rechtes zur Entziehung des Pflichttheils (8 2337)
und den Ausschluß der Anfechtung des Erbschaftserwerbes wegen Erb-
unwürdigkeit (ß 2343). Die Frage nun, wann eine Verzeihung mit
solcher Rechtswirkung vorliegt, macht Schwierigkeiten. Denn begrifflich
und im Sinne der Moral ist die Verzeihung ein innerer seelischer
Vorgang, gleichbedeutend mit versöhnlicher Gesinnung gegenüber einer
erlittenen Unbill; sie ist vorhanden, ehe sie nach außen zutage tritt,
und sie ist nicht vorhanden, wenn die versöhnliche Gesinnung fehlt, mag
auch eine Erklärung, daß man die Unbill verzeihe, abgegeben sein. Bei
einem Auseinandergehen von Gesinnung und Erklärung kann man nur
von scheinbarer Verzeihung sprechen. Ein solcher innerer Vorgang ist
aber ungeeignet, daran Rechtswirkungen zu knüpfen. Eine Aeußerung
der Gesinnung ist dazu unbedingt erforderlich, wobei sich dann sofort
die Frage erhebt, ob die Aeußerung zur Hervorbringung der Rechts-
wirkungen auch dann genügt, wenn sie der wahren Gesinnung des
Erklärenden nicht entspricht.
Der Verfasser ist zu einer klaren und widerspruchsfreien Lösung
nicht gelangt. Die Verzeihung ist ihm ein seelischer Vorgang; gleichwohl
definiert er sie als eine Willenserklärung, eine zugefügte Verletzung
nicht nachtragen zu wollen. Zm B.G.B. soll sie aufgefaßt sein als
eine Willenskundgebung, die, „sittlichen Motiven entspringend, auch
Wirkungen in bezug auf die sittlichen Beziehungen zweier Menschen
zueinander ausübt, andererseits aber auch rechtliche Wirkungen äußert".
(S. 27, 28.) Wenn man so das zur Verzeihung begrifflich erforderliche
sittliche Moment hereinzieht, darf man nicht mit dem Verfasser (S. 41)
eine Verzeihung für wirksam erachten, die der Schenker nur erklärt, um
vor den Bitten des Beschenkten Ruhe zu haben.
Damit soll dieser letzteren Annahme, für die sich der Verfasser
auch auf die Entscheidung des Reichsgerichts Bd. 37 S. 346 der Zivil-
entscheidungen hätte berufen können, nicht widersprochen werden. Jene

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer