Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 48 (1904))

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Abgeleitete Geschäftsfähigkeit Minderjähriger.

durch die §§ 112 und 113 abgesteckten Gebiets nicht eine unbe-
schränkte Geschäftsfähigkeit, wie sie der Volljährige besitzt, genießt,
sondern lediglich die vom gesetzlichen Vertreter abgeleitete
Verfügungsmacht, die daher verschieden gestaltet ist, wie wir später
sehen werden.
Letztere soll freilich keine Zwischenstufe zwischen der beschränkten
und unbeschränkten Geschäftsfähigkeit bezeichnen, sondern lediglich
eine Sonderstellung von Minderjährigen, welche der Klasse der be-
schränkt Geschäftsfähigen noch angehören, denen aber vom Gesetz
eine nach dem Maße der dem gesetzlichen Vertreter zustehenden Ge-
walt sich bestimmende verkehrsrechtliche Selbständigkeit gegeben wird.
In welcher Form vollzieht sich nun die Ermächtigung?
Sie kann durch Erklärung des gesetzlichen Vertreters gegenüber
dem Minderjährigen,* 2) aber auch stillschweigend erfolgen. Vor allem
im Falle des § 113 dürfte die Ermächtigung regelmäßig nur aus
den konkreten Umständen ersichtlich sein. Wollte man hier vom Ge-
setz eine ausdrückliche Erklärung des Gewalthabers vorgeschrieben
erachten, so wäre § 113 B.G.B. praktisch bedeutungslos.
Die Unterscheidung freilich zwischen Ermächtigung und bloßer
Einwilligung dürfte für den Richter vielfach nicht leicht sein. § 133
B.G.B. weist ihn darauf hin, bei der Auslegung von Willensäuße-
rungen alle im einzelnen Falle vorliegenden Umstände in Rechnung
zu ziehen.
Ist der in Dienst getretene Minderjährige weit entfernt vom
Wohnorte des gesetzlichen Vertreters, so daß ein regelmäßiger Ver-
kehr zwischen ihm und dem Mündel aufhört, oder hieß es: „So,
jetzt kannst du dein Brot selber verdienen", so ist eine seitens des
gesetzlichen Vertreters erteilte Ermächtigung anzunehmen.
Einfacher ist die Sachlage im Falle des § 112 B.G.B., da hier
der Erteilung der Ermächtigung ein Staatsakt, nämlich die Ge-
nehmigung des Vormundschaftsgerichts, vorausgeht. 3)

2) § 131 Abs. 2 findet keine Anwendung.
2) Vergl. Matthiaß, Lehrbuch des bürgert. Rechtes Bd. I S. 159: Die Zu-
stimmung des Vormundschaftsgerichts zur Erteilung und Zurücknahme der Er-
mächtigung hat vor der Erteilung zu erfolgen, weil beide Akte einseitige Ge-
schäfte find. Über die rechtliche Natur der Genehmigung des Vormundschafts-
gerichts s. Windscheid-Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts Bd. III S. 156; sie
ist zu erklären dem Vormunde gegenüber, § 1828 B.G.B., s. auch §§ 18 V
55 Fr.G.G.

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