Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 48 (1904))

90

Das gemeinschaftliche Testament.

genügen, vielmehr ist erforderlich, daß beide Ehegatten die Absicht
haben, das Testament aufzuheben und daß zu diesem Zwecke die
Urkunde vernichtet wird. Da es nun, besonders wenn ein Testa-
ment zahlreiche Bestimmungen enthält, bei mancher Bestimmung
zweifelhaft sein kann, ob sie korrespektiv ist oder ob sie dieses
Charakters entbehrt, so dürfte es sich in der Praxis empfehlen, daß
der Notar bei der Protokollierung der Widerrufserklärung zugleich
die Form des ordentlichen Testaments wahrt, insbesondere also zwei
Zeugen zuzieht, obwohl, wie erwähnt, für die Widerrufserklärung
der korrespektiven Verfügungen dieses Erfordernis nicht besteht.
Nach der Fassung des Gesetzes könnte man ferner bezweifeln, ob
die in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen korrespektiven
Verfügungen dadurch, daß beide Ehegatten sich das Testament zurück-
geben lassen, oder die Urkunde vernichten, hinfällig wird, denn der
§ 2271 bestimmt schlechthin, daß der Widerruf einer korrespektiven
Verfügung bei Lebzeiten der Ehegatten in der besprochenen be-
sonderen Form erfolgt. Es kann aber wohl nicht in Zweifel ge-
zogen werden, daß diese Vorschrift über die besondere Form des
Widerrufs sich nur auf den einseitigen Widerruf durch einen
Ehegatten bezieht und nicht auf den Fall anzuwenden ist, daß beide
Ehegatten gemeinschaftlich das Testament aufheben wollen. Für
den letzteren Fall gelten vielmehr diejenigen Formvorschriften, welche
für die Aufhebnng eines Testaments allgemein gegeben sind.
Das gemeinschaftliche Testament kann demnach von beiden Ehe-
gatten durch ein neues gemeinschaftliches Testament, durch gemein-
schaftliche Vernichtung der Testaments-Urkunde, durch gemeinschaft-
liche Rückforderung des Testaments aufgehoben werden.
Die wichtigste Wirkung der Korrespektivität der Verfügungen
ist nun endlich die Bindung des überlebenden Ehegatten an seine
eigenen Verfügungen nach dem Tode des zuerst versterbenden.
Während diese Bindung auch im preußischen Rechte eintrat, besteht
doch zwischen diesem Rechte und dem V.G.B. insofern ein bemerkens-
werter Unterschied, als nach dem ersteren Rechte die Bindung nur
eintrat, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft aus dem
gemeinschaftlichen Testament angenommen hatte, während nach
dem B.G.B. die Bindung schon mit dem Augenblicke des Todes
des erstversterbenden Ehegatten eintritt, und der überlebende Ehe-
gatte das Recht zur Aufhebung des Testaments nur dadurch erlangt,
daß er das ihm Zugewendete aus sch lägt. Während also nach

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer