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sei, wenn der Gastwirth außerhalb seines Gasthofes, also in einem
ihm sonst noch zugehörigen Hause Leute ausnehme; die bloße Fest-
stellung eines Entgeltes für das Quartier ändere an seiner Ver-
bindlichkeit nichts, ebensowenig das Bedingen einer Kündigung. Auch
sei bei Auslegung des erwähnten Fragments vor allem der Geist
des Instituts, wie es sich aus dem fraglichen Titel darstelle, aufzu-
fassen. Da nun die Bestimmungen über Gastwirthe und Schiffer
zu den strengsten Dispositionen der römischen Gesetzgebung gehörten,
so dürfte man der fraglichen Stelle keine Deutung geben, welche
den Gastwirthen möglich mache, der Strenge des Gesetzes zu ent-
gehen. — In Beurtheilung der vom Beklagten vorgeschützten Ein-
rede äußerte' sich nun das O. A. G. zu Dresden folgendermaßen:
Was den Sinn der Worte „extra negotium revipers" in k'r. 3
§ 2 eit. betrifft, so ist der Behauptung des Klägers, es sei dies
nur von dem Falle zu verstehen, wenn der Fremde in einem vom
Gasthof abgesonderten Local ausgenommen werde, um so weniger
beizupflichten, da Ulpian nicht von einem rcoipcro extra ckiver-
sorium oder hospitium, sondern von einem recipere extra ue-
gotium spricht, was offenbar umfassender ist; auch lehrt die tägliche
Erfahrung, daß selbst über Wohnungen im Gasthause Miethverträge
abgeschlossen werden. Allerdings scheint dafür, daß Beklagter als
Gastwirth und intra tincs negotii gehandelt habe, zu sprechen,
theils daß Kläger als Fremder und Meßbesucher bei Beklagtem ein-
gekehrt ist, theils daß er sich von Letzterem, wie eine (vom Kläger
producirte, vom Beklagten anerkannte) Wirthsrechnung beweist, wäh-
rend seines temporären Aufenthaltes am Meßplatze mit Speise und
Trank hat versorgen lasten, des Gastwirths Gewerbe aber gerade
darin besteht, daß er aus der Beherbergung und Beköstigung Fremder
Gewinn zieht. Nichtsdestoweniger sind die vom Beklagten ange-
führten und von ihm zu beweisenden Umstände von der Beschaffenheit,
daß zwischen ihm und Klägern eher ein Miethverhältniß als die ge-
wöhnliche Einkehr eines Fremden bei einem Gastwirth anzunehmen
ist. Das von ihnen eingegangene Vertragsverhältniß sollte einmal
erst nach vorgängiger Kündigung von einer Seite aufgelöst werden
können. Dies weist aber auf eine bleibende Einrichtung hin, in
Folge deren Kläger selbst dann zur Zahlung des bestimmten Preises
gehalten gewesen sein würde, wenn er, ohne den Contract gekündigt
zu haben, eine Messe nicht besucht, oder doch von dem Local keinen
Gebrauch gemacht hätte. Ferner war der Contract nicht bloß auf
eine Stube zur Bewohnung, sondern zugleich auf ein Verkaufslocal
gerichtet gewesen; das Ueberlaffen eines solchen Locals liegt aber
gewiß nicht in dem Gewerbe eines Gastwirthes. Auf eine feste
Einrichtung unter den Paciscenten weist sodann der Umstand hin,
daß nach Beklagtens Angabe Kläger seit dem Abschluffe des Ver-
trags immer dieselbe Stube und daffelbe Verkaufslocal inne gehabt
hat; wäre auch der Vertrag nicht ausdrücklich auf Ueberlaffung
einer bestimmten Stube und einer bestimmten Niederlage gerichtet
gewesen, so ist er doch factisch von den Paciscenten so ausgelegt