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der Beweislast bei dem sogenannten qualifizirten Zugeständnisse
dahin zu entscheiden, daß derjenige, welcher die Bedingtheit be-
hauptet, sie zu beweisen habe.
Mit Recht behauptet der Kläger und Implorant, daß der Ap-
pellationsrichter die Regeln über die Vertheilung der Beweislast und
somit die §§ 28 Tit. 13 Th. I der A. G.-O. und § 229 Tit. 5
Th. I A. L.-R. verletzt habe. Daß diese Regeln nicht prozessualisch,
sondern rechtsgrundsätzlich sind, so weit sie die Natur des zur Frage
stehenden Rechtsverhältnisses betreffen — hat das Ober-Tribunal mit
Bezug aus § 28 Tit. 13 Th. I A. G.-O. bereits in dem Präjudiz
Nr. 2108 ausgesprochen, und ist namentlich in neuerer Zeit an dieser
Ansicht festgehalten worden. Hier kommt noch hinzu, daß der Ap-
pellationsrichter seine Entscheidung vornehmlich auf eine ganz besondere
Bestimmung aus dem materiellen Rechte, auf § 229 Tit. 5 Th. I
A. L.-R. stützt. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist also zulässig (§ 4 zu 1
der Verordnung vom 14. December 1833). Auch ist dieselbe für be-
gründet zu erachten. Es kann der Einwand des Verklagten nicht für
vom Kläger zugestanden angesehen werden. Der Verklagte spricht von
einer Befriedigung des Klägers bis auf 55 Thlr., der Kläger
dagegen von einem Erlaß bis auf 55 Thlr. Danach hat der Kläger
gar nichts von den vom Verklagten seiner Einrede zu Grunde gelegten
Thatsachen zugestanden, so daß überhaupt von einem qualifizirten Zu-
geständnisse nicht die Rede sein kann. Allein nach dieser Richtung hin
ist das zweite Erkenntniß nicht angegriffen. Implorant hat vielmehr
die thatsächliche Feststellung des Appellationsrichters, daß auch der Ver-
klagte einen Erlaß gemeint hat, unangefochten gelassen, und ist daher
diese bei Prüfung der Nichtigkeitsbeschwerde beizubehalten (§ 16 der
Verordnung vom 14. December 1833). Der Kläger hat nun bestritten,
daß er ohne Weiteres die Forderung bis auf den Betrag von 55 Thlrn.
erlassen hat, indem er nur unter der nicht eingetretenen Suspensiv-
Bedingung, daß 55 Thlr. am 1. September 1872 gezahlt werden, auf
den übrigen Betrag der Forderung verzichtet haben will. Die Erklärung
des Klägers enthält sonach keine Gegen einred e, sondern ein Bestreiten
der Entstehung eines obligatorischen (ihn bindenden) Erlasses,
da — was feststeht — der Verklagte am 1. September 1872 die
55 Thlr. nicht gezahlt hat. So wie aber der Kläger alles zur Be-
gründung seines Klagefundamentes Erforderliche, so muß auch der Ver-
klagte alle Thatsachen darthun, welche den rechtlichen Erfolg des auf-
gestellten Einwandes hervorzubringen vermögen. Da nun hier nur ein
bedingungsloser Erlaß die Forderung des Klägers bis auf 55 Thlr.