Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 18 = N.F. Jg. 3 (1874))

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pflichtung klar gelegt, soll zur Erläuterung der einzelnen, — vielfach
streitigen, — Bestimmungen und Ausdrücke des § 29 übergegangen werden.
Der § 29 beginnt mit den Worten:
„Wenn Personen, welche im Gesindedienste stehen, Ge-
sellen, Gewerbegehülfen, Lehrlinge."
Die erste Bestimmung, welche für Personen in Dienstverhältnissen eine
ausnahmsweise definitive Verpflichtung zur Tragung der Kurkosten in
Erkrankungsfällen vorschrieb, war § 32 des preuß. Gesetzes über die
Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. December 1842, welcher lautete:
„Wenn Personen, welche als Dienstboten, Handwerksgesellen rc.
in einem festen Dienstverhältnisie stehen, erkranken, so müffen sie
von der Gemeinde oder Gutsherrschaft des Ortes, wo sie im Dienste
sich befinden, bis zu ihrer Wiederherstellung verpflegt werden; ein
Anspruch auf Erstattung der Kur- und Verpflegungskosten finde!
aber in diesem Falle gegen einen andern Armenverband niemals statt.
Als ein festes Dienstverhältniß ist dasjenige nicht anzusehen,
welches sich lediglich auf ein vorübergehendes, bestimmtes Geschäft
bezieht; dagegen schließt der bloße Vorbehalt willkürlicher Aufkün-
digung die Eigenschaft eines festen Dienstverhältnisses nicht aus."
Die Bestimmungen des citirten § 32 erwiesen sich aber nach zwei
Richtungen, namentlich im Laufe der Zeit, als unpraktisch. Erstens war
dadurch, daß die Pflegepflicht dem Dienstorte „bis zur Wiederher-
stellung" auferlegt war, eine zeitliche Grenze für diese Pflicht über-
haupt nicht gegeben. Dieselbe mußte bei schweren Krankheiten oft sehr
lange Zeit fortgesetzt werden und es war sogar streitig, ob ein Unter-
schied zwischen heilbaren und unheilbaren Krankheiten zu machen sei,
oder nicht vielmehr bei letzteren sich die Pflegepflicht bis zum Tode des
Erkrankten erstrecken müsse (vgl. v. Rönne, Erg. II. S. 1076), so
daß die Vorschrift des § 42 a. a. O. weit über das eigentliche Be-
dürfniß hinaus und im Widerspruche mit der gesetzgeberischen Intention
den Dienstort belastete. Zweitens aber entstanden zahlreiche Kontro-
versen und Zweifel über den Begriff und die Erfordernisse eines „festen"
Dienstverhältnisses im Sinne des § 32 a. a. O.
Zur Beseitigung dieser beiden Mängel vornehmlich bestimmte
Art. V des Ergänzungsgesetzes (Novelle) vom 21. Mai 1855 unter
Aushebung des § 32:
„Wenn Personen, welche als Dienstboten, Gewerbegehülfen, Ge-
sellen, Lehrlinge u. s. w. in einem Dienstverhältnisie stehen, an dem
Orte, wo sie sich im Dienstverhältnisie befinden, erkranken, so müsien
sie — insoweit dazu kein Anderer (Verwandter, Dienstherrschaft,
Lehrherr, Stiftung u. s. w.) verpflichtet und vermögend ist (vergl.
§ 1 des Gesetzes über die Verpflichtung zur Armenpflege vom

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