Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 18 = N.F. Jg. 3 (1874))

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Nur von einem Kommissionsmitgliede wurde dieser Gedanke lebhaft
bekämpft.
Es handle sich um eine weder prinzipiell korrekte, noch zweckmäßige
Ausnahme, welche dazu führe, diejenigen Armenverbände, welche die
Kräfte für die in Frage kommenden Dienstverhältnisse von auswärts
beziehen, in unerhörter Weise zu belasten. Der dadurch herbeigeführte
Zustand werde ein ganz unerträglicher sein.
Hierauf wurde entgegnet, daß ein solcher Zustand seit 28 Jahren
in Alt-Preußen bestehe, und daß hier im Gegentheil die Einrichtung
sich in jeder Weise bewährt habe. Sie habe einerseits die Dienstherr-
schaften — bei deren Abneigung, an den eigenen Ortsarmenverband zu
rekurriren — an ihre moralische Pflicht erinnert, erkrankte Dienstleute
auch über das Maaß der gesetzlichen Obliegenheiten in Krankheitsfällen
zu versorgen, andrerseits zu kommunalen und genossenschaftlichen Ver-
anstaltungen geführt, welche eine erleichterte und geregelte Krankenpflege
für Dienstleute bezwecken. Daß Ortschaften, welche für ihre volks-
wirthschaftlichen Zwecke arbeitskräftige Personen von auswärts beziehen,
diese Personen unter gewissen Beschränkungen auch schon vor Erwerbung
des Unterstützungswohnsitzes verpflegen, sei nicht mehr als billig, und
es liege umgekehrt darin eine große Härte, anderen Verbänden, denen
man die Arbeitskräfte entzieht, die volle Armenlast aufzubürden. Die
Ausnahme sei eine aus der Natur der Sache selbst folgende.
Bei der zweiten Berathung im Plenum stellte demungeachtet der
Abgeordnete Grumbrecht den Antrag auf Streichung des § 29. Er
motivirte diesen Antrag hauptsächlich damit, daß die aus der altpreußi-
schen Armengesetzgebung entnommene Ausnahmebestimmung des § 29
zwar in dieser deshalb nicht unzweckmäßig gewesen sei, weil die alt-
preußischen Gesetze für die Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes
Kategorien gemacht hatten und weil man die hier gerade in Frage kom-
menden Personen von der Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes
während einer kurzen Frist ausgeschlossen habe. Deshalb fei es damals
begründet gewesen, denjenigen Personen, welchen man die Erwerbung
des Unterstützungswohnsitzes auf solche Weise unmöglich gemacht, eine
Erleichterung durch die Konstituirung einer ausnahmsweisen Pflege-
pflicht ihres Dienstortes zu gewähren. Gegenwärtig aber, wo für alle
Personen ohne Unterschied der Erwerb des Unterstützungswohnsitzes an
gleiche Regeln gebunden sei, fehle jeder Grund für eine Ausnahme-
bestimmung, welche in keiner Weise dem Prinzipe des Gesetzes entspreche.
Obwohl aber auch der Abgeordnete Miquel den Grumbrechtschen
Antrag auf Streichung des § 29 unterstützte und insbesondere dafür

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