Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 18 = N.F. Jg. 3 (1874))

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Vorschrift des § 29 R.-G. unter die allgemeine Regel fiel. Nachdem
aber die Reichstagskommission, wie auch der Reichstag selbst diesem
Prinzipe entgegengetreten war, d. h. auch die Pflegekosten bei nur vor-
übergehender Hülfsbedürftigkeit für erstaltungsfähig erklärt hatte, schlug
die Reichtagskommission die Aufnahme der exceptionellen Vorschrift deS
§ 29 dem Reichstage und zwar aus folgenden Motiven vor:
§ 29 entlehnt im Wesentlichen seinen Inhalt der Preußischen Ge-
setzgebung. Als das Armengesetz vom 31. December 1842 im § 1
bestimmte, daß Personen, welche im Dienste eines Andern sich befinden,
an dem Dienstort den qualifizirten Unterstützungswohnsitz der beschei-
nigten Meldung nicht erwerben sollten, sondern nur den unqualifizirten
des dreijährigen Aufenthalts, hielt dasselbe Gesetz gleichzeitig es für ge-
boten, im § 32 zu bestimmen, daß solche Personen, abgesehen von der
sonstigen Regel, in Krankheitsfällen von dem Armenverbande des Dienst-
ortes auf dessen Kosten bis zur Wiederherstellung verpflegt werden
müssen. Art. 5 der Novelle vom 21. Mai 1855 präzisirte die Aus-
nahmebestimmung des § 32 in verschiedenen Richtungen und beschränkte
sie der Zeit nach auf die nicht länger, als drei Monate fortgesetzte
Krankenpflege.
Der zu Grunde liegende Gedanke ist der, daß, wenn gewisse Ka-
tegorien von Personen von der erleichterten Erwerbung des Unter-
stützungswohnsitzes ausgeschlossen sein sollen, wenn ferner gerade für
diese Kategorie nach ihrer Beschäftigung häufiger Ortswechsel vorkommt
und es ihr doppelt erschwert ist, durch dreijährigen Aufenthalt an dem
nämlichen Orte zu einem Unterstützungswohnsitze zu gelangen, daß dantt
der einerseits verfügten Erschwerung andrerseits ein erleichterndes Kor-
relat gegeben werden müsse, kraft dessen die ungünstiger gestellte Kategorie
auch ohne Erwerb des Unterstützungswohnsitzes an dem Orte ihrer
wirthschaftlichen Thätigkeit, d. i. dem Dienstorte, auf dessen
Kosten öffentliche Unterstützung erhält. Die Erleichterung sei aber nicht
weiter auszudehnen, als das praktische Bedürfniß es unbedingt fordere,
d. h. auf die in Fällen einer vorübergehenden Erkrankung erforder-
liche Hülfsleistung, da bei dauernder Arbeitsunfähigkeit und bet
dem Hinzutreten sonstiger komplizirender Momente das Uebergewicht der
Gründe, den Wiedereintritt der Regel motivire.
Für die Ausnahme einer analogen Bestimmung in das BundeS-
gesetz wurde geltend gemacht, daß, nachdem die dreijährige ErwerbSfrist
allgemein vorgeschrieben worden, die nämlichen Gründe, welche die
preußische Ausnahmebestimmung rechtfertigen, auch für eine gleichartige
bundesrechtliche Anordnung sprechen.
Beiträge, XVIII. (N. F. III.) Jahrg. 5. Heft.

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