Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 18 = N.F. Jg. 3 (1874))

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dringende Geist zu finden sei. Im Folgenden geht der Verfaffer auf die
einzelnen Bestandkheile des künftigen Gesetzbuches ein. Er behandelt das
Sachenrecht und Obligationenrecht (§§ 9, 10), das Personenrecht (§§ 11 — 18),
das Erbrecht (§§ 19 — 21), das Wechselrecht und Handelsrecht (§§ 22, 23),
die Jnhaberpapiere (§ 24), das Concursrecht, die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand (§ 25), das Wasserrecht, Verwaltungsrecht, Deutschrechtliche
Rechtsinstitute (§§ 26, 27), System und Redaktion (§§ 28, 29).
Um von der lebensvollen Darstellung des Verfaffers ein Beispiel zu
geben, sei es uns vergönnt, den Schluß des Schriftchens (§ 30) mitzutheilen:
„Die Abfassung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs hat allerdings
Schwierigkeiten. Aber das Ziel deffelben ist ein fest bestimmtes und sicher
erreichbares, weil der deutschen Nation nicht ein neues Recht gegeben, sondern
in dem deutschen Rechtsleben das Recht erkannt, das deutsche Recht nicht
durch das Gesetzbuch geschaffen, an Normen gebunden und in seiner
historischen Entwickelung festgestellt, sondern in diesem nach dem gegenwär-
tigen Zeit- und Rechtsbewußtsein auf Regeln zurückgeführt werden soll, und
dabei für Denjenigen, welcher das Recht an dem practischen Leben studirt hat,
ein Fehlgehen kaum möglich ist. Wenn ich endlich behaupte, daß von dem
deutschen bürgerlichen Gesetzbuche für das Rechtsleben und für den Rechts-
verkehr der einzelnen deutschen Staaten nichts zu fürchten ist, so stütze ich
mich insbesondere auf den Vorgang des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs,
welches in dem kurzen Zeitraum von acht Jahren in das Leben Eingang
gefunden hat, ohne daß Diejenigen, welche unter demselben stehen, den Ueber-
gang von dem alten Rechte in das neue bemerkt, oder die Forterhaltung des
alten Rechtszustandes gewünscht haben. Das deutsche bürgerliche Gesetzbuch
kann mit dem, Aufräumen in den Particularrechten und Particulargesetz-
gebungen und mit dem Beseitigen längst abgestorbener Rechtsinstitute, fort-
geerbter Jrrthümer und unbrauchbarer Ansichten der Theorie und Praxis nie
zu weit, wohl aber nicht weit genug gehen und daher nicht Nachtheile bringen,
sondern nur höchstens nicht alle Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen er-
füllen, welche sich mit oder ohne Grund an dasselbe geknüpft hatten. Dasselbe
läßt sich mit einem Spiegel vergleichen, welches das Bild des deutschen Rechts
zurückwirst; dieses Bild aber ist nicht die Schöpfung des Gesetzbuchs, sondern
das Werk der deutschen Nation in ihrem geistigen, sittlichen und religiösen
Leben und in ihrer Erkenntniß der Wahrheit und des Rechts. Ein Spiegel
kann mangelhaft sein, indem er das ihm Gegenübergestellte nicht treu und
scharf genug wiedergiebt. Aber an dem ihm Gegenübergestellten ändert er
Etwas nicht. Ebenso wird das deutsche bürgerliche Gesetzbuch, wie jedes
menschliche Werk, Unvollkommenheiten haben, sei es, daß daffelbe das deutsche
Recht nicht in der ganzen Tiefe seines Geistes erfaßt, oder nicht alle Kate-
gorien deffelben erschöpft. Aber an dem deutschen Rechte selbst wird es Etwas
nicht ändern, und ist es auf die Vernunft gegründet, so wird die Ausfüllung
der Lücken, welche sich in ihm finden und die Verbefferung der Unvollkommen-
heiten, welche an ihm wabrgenommen werden, ein Werk der logischen und
unter den sonstigen Voraussetzungen auf das römische Recht gestützten Inter-
pretation sein. Fortschritte, welche der Rechtsverkehr machen wird, werden
etwas Weiteres nicht sein, als Vervielfältigungen der thatsächlichen Rechtsge-
staltungen, für die das deutsche bürgerliche Gesetzbuch die Rechtsregeln enthält.

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