Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

Zurücknahme der Baugenehmigung nach Beginn des Baues.

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angefangene Bau dem bereits vollendeten gleichzustellen ist. Zst dies
aber in Ansehung des § 15 der Fall, so wird man es ebenso und
aus denselben Gründen für ein Bauverbot gellen lassen müssen, welches
nach § 12 des Fluchtliniengesetzes durch Ortsstatut eingeführt worden
ist. Denn auch hier muß der Bauunternehmer dagegen geschützt
sein, daß ihm über Nacht durch eine ortsstatutarische Regelung die
Fortführung seines Baues unmöglich gemacht werde. Es blieben also
nur noch die Fälle der Fluchtlinienfestsetzung übrig (§11 des Ge-
setzes), für welche, wenn man der Ansicht des Reichsgerichts folgt,
der erst begonnene Bau dem vollendeten nicht gleichzustellen wäre.
Dies ist schon ein Bedenken; es mag nicht schwer wiegen, aber es
kommt doch in Betracht.
Das am schwersten wiegende Bedenken ist wohl aber dieses, daß
das Gesetz den Bauunternehmer ohne jede Entschädigung gelassen
haben würde. Man stelle sich den Fall vor, wie er jeden Tag ein-
treten kann. Das Gebäude ist bereits unter Dach geführt, und es
soll mit dem inneren Ausbau des Hauses begonnen werden. Da
zieht die Polizeibehörde den Konsens zurück, weil sich inzwischen die
Gemeinde- und Ortspolizeibehörde über Festsetzung einer neuen Flucht-
linie geeinigt haben, welche das Gebäude ziemlich in der Mitte durch-
schneidet, und der Fluchtlinienplan gemäß § 7 des Gesetzes zu Jeder-
manns Einsicht offen gelegt ist. Zn welcher Lage befindet sich nun
der Bauunternehmer? Weiterbauen darf er nicht, entschädigt für die
in den Bau gesteckten Kosten wird er aber auch nicht. Es bleibt
ihm nur übrig, den Bau abzureißen und ihn von Neuem in den
nunmehr zulässigen Baugrenzen wieder aufzuführen.
Daß dies so ist, ergiebt sich, wenn man einen von dem Bau-
unternehmer etwa erhobenen Entschädigungsanspruch an der Hand
des Gesetzes prüft.
Der § 13 des Gesetzes erörtert grundsätzlich die Fälle, in denen
wegen Entziehung oder Beschränkung des von der Festsetzung neuer
Fluchtlinien betroffenen Grundeigenthums Entschädigung gefordert
werden kann. Sie kann nur gefordert werden:
1. wenn die zu Straßen und Plätzen bestimmten Grundflächen auf
Verlangen der Gemeinde für den öffentlichen Verkehr abge-
treten werden;
2. wenn die Straßen- oder Baufluchtlinie vorhandene Gebäude
trifft und das Grundstück bis zur neuen Fluchtlinie von Ge-
bäuden freigelegt wird;

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