Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

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Zurücknahme der Baugenehmigung nach Beginn des Baues.

Zndeß auf dem Wege bloß praktischer Bedenken ist nicht weiter
zu kommen. Sieht man sich rechtlich um, so kann zunächst dies für
die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts geltend gemacht werden,
daß auch in anderer Beziehung nach dem Fluchtliniengesetz vom
2. Zuli 1875 ein bereits begonnener Bau wie ein vollendeter zu be-
handeln ist, und daß es daher nahe liegt, dies auch für die Fälle
des § 11 desselben Gesetzes gelten zu lassen. Zn dieser Beziehung ist
zunächst an § 15 des Gesetzes zu erinnern. Nach ihm kann durch Orts-
statut festgesetzt werden, daß bei der Anlegung einer neuen oder bei
der Verlängerung einer schon bestehenden Straße, wenn solche zur
Bebauung bestimmt ist, von den angrenzenden Eigenthümern, sobald
sie Gebäude an der Straße errichten, die Freilegung, erste Einrichtung,
Entwässerung und Beleuchtungsvorrichtung der Straße in der dem
Bedürfniß entsprechenden Weise beschafft, sowie deren zeitweise,
höchstens fünfjährige Unterhaltung bezw. ein verhältnißmäßiger Bei-
trag oder der Ersatz der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen
Kosten geleistet werde. Es ist in Frage gekommen, wie es sich mit
der Anwendbarkeit dieser Bestimmung verhält, wenn ein Anlieger
den Baukonsens erhalten und mit der Einrichtung des Gebäudes
begonnen hat, hinterdrein aber die Anlegung der Straße beschlossen
und nunmehr der Bau während der Anlegung der Straße zu Ende
geführt wird. Wollte man auch auf solche Fälle den § 15 für an-
wendbar erachten und die Anlieger zu den Straßenanlegungs- und
Unterhaltungskosten heranziehen, so wäre dies eine offenbare Un-
billigkeit. Denn ist der Bau einmal begonnen, so steht es nicht mehr
in der freien Entschließung des Bauherrn, ihn liegen zu lassen.
Dies verbietet sich durch die schweren pekuniären Nachtheile, die
hieraus erwachsen, von selbst. Wer den Bau begonnen hat, ist daher
mit demjenigen, der zu bauen beabsichtigt und der bei seiner Ent-
schließung die ihm drohenden Straßenanlegungs- und Unterhaltungs-
kosten mit in Anschlag bringen kann, nicht auf eine Linie zu stellen.
Es ist deshalb gewiß zu billigen, wenn das Oberverwaltungsgericht
auf diese verschiedene Lage, in welcher sich der Bauunternehmer be-
findet, je nachdem er bei seiner Entschließung auf Straßenanlegungs-
kosten Rücksicht nehmen konnte oder nicht, hingewiesen hat^), und
daraus ergiebt sich dann ohne Weiteres, daß in dieser Beziehung der

8) Entsch. des Ob.Verw.Ger. Bd. 3 S. 292; vgl. auch Friedrichs a. a. O.
S. 129.

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