Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

Zurücknahme der Baugenehmigung nach Beginn des Baues. 67
eingeräumt bleibt und nach der Natur der Sache eingeräumt bleiben
muß. Wenn die Polizeibehörde befugt sein soll, bis zur Vollendung
des von ihr genehmigten Baues ihre Entschließung zu ändern und
vielleicht noch kurz vor ver Vollendung durch Zurücknahme des'Konsenses
das ganze Bauwerk in Frage zu stellen, so möchte hieraus in der That
eine bemerkenswerthe Unsicherheit auf dem Gebiete des öffentlichen
Baurechts hervorgehen. Es kommt hinzu, daß nicht bloß eine Ver-
änderung in der Entschließung der Behörden, sondern mehr noch die
Veränderung des öffentlichen Baurechts selbst in Betracht zu ziehen
ist. Jede neue Polizeiverordnung, welche Baubeschränkungen ein-
sührt, die bisher nicht bestanden haben, z. B. einen Bauwich von der
Nachbargrenze, eine Beschränkung in der Höhe der Gebäude, in der
Anzahl der Stockwerke u. s. w., würde ohne Weiteres auf diejenigen
Bauten, die vor dem Erlaß derselben genehmigt und auf Grund der
Genehmigung begonnen und nahezu zur Vollendung gebracht sind,
anwendbar sein. Die Folge wäre, daß bei der Promptheit, mit der
neue Polizeiverordnungen erscheinen können und bisweilen zur Ueber-
raschung der betroffenen Grundbesitzer erschienen sind. Niemand mit
Sicherheit darauf rechnen könnte, einen Bau so, wie er ihn projektirt
und begonnen hat, zu Ende zu führen.
Aber auf der anderen Seite ist es richtig, daß diese ganze Er-
wägung nur rein praktischer Natur ist, die um ihrer Konsequenz
willen bedenklich machen mag, die aber juristisch nicht entscheidend sein
kann. Auch dies mag noch zugegeben werden, daß die Ansicht des
Oberverwaltungsgerichts, wonach bereits der Beginn des Baues die
Zurücknahme des Konsenses und die Anwendung neuer gesetzlicher
oder polizeilicher Vorschriften ausschließen soll, dahin führt, diese
Wirkung schon mit dem Ausschachten des Fundaments, also schließ-
lich mit dem ersten Spatenstich eintreten zu laffen, mit dem das
Ausschachten begonnen worden ist. Diese Konsequenz ist nicht abzu-
weijen; sie ist die notwendige Folge davon, daß in dem Stadium
der Bauausführung keine Unterschiede gemacht werden können, wo-
rüber das Reichsgericht und das Oberverwaltuugsgericht einig sind.
Es giebt eben nur einen angefangenen, aber noch nicht vollendeten,
und einen vollendeten Bau. Aber es ist schließlich in den praktischen
Folgen immer noch erträglicher, den rechtlichen Schutz an dm erstm
Spatenstich zu knüpfen, als ihn einem Gebäude ganz zu versagen,
welches bis auf den innerm Ausbau — vielleicht bis aus das Setzen
der Oefen — fertig gestellt ist.

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