856
Literatur.
nisses haben soll. Ganz anders aber liegt die Sache bei einem ein-
fachen (generischen) Geldvermächtniß. Die Verf. wollen auch hier den
gleichen Grundsatz anwenden, unter der Voraussetzung, daß der Erbe
in der Lage war, das Geld zinsbar anzulegen. Aber abgesehen von der
thatsächlichen Unsicherheit eines solchen Kriteriums ist dasselbe auch recht-
lich und wirthschaftlich nicht zutreffend. Entscheidend für die Steuer-
pflicht ist nach § 5 Abs. 2 des Ges. die durch den Anfall eingetretene
Bereicherung des Bedachten. Durch die bloße Möglichkeit der zins-
baren Anlage eines Geldbetrages, den der Erbe in Zukunft einem
Dritten zu zahlen hat, tritt aber nicht ohne Weiteres eine Bereicherung
des Erben ein. Es müßte ihm nachgewiesen werden, daß er das Geld
in der Thal genutzt habe; denn eine Verpflichtung zur zinsbaren An-
legung hat er weder der Steuerbehörde noch dem Legatar gegenüber.
Er darf den für den Legatar bestimmten Geldbetrag unbedenklich aus
dem Nachlasse aussondern und bis zur Fälligkeit des Legats abgesondert
aufbewahren. Ein solches Verhalten wird man sogar für eine sehr ge-
wissenhafte Pflichterfüllung erachten müssen. Aber auch wenn der Erbe
nicht so verfährt, sondern die baaren Nachlaßkapitalien, aus welchen er
das Vermächtnis; entrichten könnte, zinsbar anlegt, kann nicht gesagt
werden, daß er einen für das Vermächtniß bestimmten Geldbetrag genutzt
habe. Einer solchen Annahme widerspricht die generische Natur des
Geldvermächtnisses. Ferner sind die Früchte einer solchen zinsbaren
Anlage keine aus dem Erbansall als solchem fließende Bereicherung des
Erben, sondern das Ergebniß seiner eigenen wirthschastlichen Thätig-
keit und des regelmäßig damit verknüpften Risikos. Die zinsbare
Ausleihung von Kapitalien kann auch bei den sichersten Anlagen Verlust
statt Gewinn bringen. Es erscheint deshalb weder gerecht noch billig,
dem Erben für die „Nutzung des Geldvermächtnisses" bis zum Fällig-
keitstage einen Antheil an der Erbschaftssteuer auszuerlegen. Die der
Ansicht der Verf. entgegengesetzte Auffassung des Obertribunals und von
Bacher dürfte vielmehr den Vorzug verdienen.
Daß diese wenigen Erinnerungen, auch wenn sie noch vermehrt
werden könnten, dem Werthe des Buchs keinen Eintrag thun, ist selbst-
verständlich. Nach der aus dem Titel enthaltenen Ankündigung soll dem
Kommentar noch eine systematische Darstellung des Erbschaftssteuerrechts
folgen.*) Mag auch durch diese ungewöhnliche Bearbeitung des Gesetzes in
doppelter Form für den behandelten Gegenstand fast zu viel des Guten
geboten werden, so ist doch die in Aussicht gestellte Gabe immerhin
dankbar entgegenzunehmen, umsomehr, als sie den Preis des Buches
nicht erheblich vertheuern soll. Ungeachtet des verhältnißmäßig kleinen
Leserkreises, dessen sich die Steuergesetze erfreuen, ist bei den geschilderten
Vorzügen des Werks und der vortrefflichen Ausstattung zu hoffen, daß
ihm auch der wohlverdiente äußere Erfolg nicht fehlen werde.
_ M. Levy (f).
*) Die zweite Hälfte des Buches, welche die systematische Darstellung bringt,
ist inzwischen erschienen.