Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

Gierke, Das Bürgerliche Gesetzbuch und der Deutsche Reichstag. 675
Die in der Reichstags-Vorlage unverändert gebliebenen §§ 175, 176
des Entwurfes zweiter Lesung lauten:
§ 175. Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern
er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Theile nach
dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersätze verpflichtet,
wenn der Vertreter die Genehmigung des Vertrages verweigert.
Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht ge-
kannt, so ist er nur zum Ersätze desjenigen Schadens verpflichtet,
welchen der andere Theil dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungs-
macht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Anteresses hinaus,
welches der andere Theil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.
Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Theil den Mangel
der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte. Der Vertreter
haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt
war, es sei denn, daß er mit Zustimmung seines gesetzlichen Ver-
treters gehandelt hat.
§ 176. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne
Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegen-
über ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Ver-
treter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechts-
geschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen,
daß der Vertreter ohne Vertretungsmacht handle, so finden die Vor-
schriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt,
wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne
Vertretungsmacht mit dessen Einverständnisse vorgenommen wird.
Die Normen des Entwurfes beziehen sich hiernach auf alle Fälle,
in denen Jemand als Vertreter eines Anderen, gleichviel ob als gesetz-
licher Vertreter oder als Bevollmächtigter, ein Rechtsgeschäft vornimmt.
Gegen diese ins Auge fallende Verallgemeinerung der Vorschriften des
H.G.B. hat G. S. 171 seiner Kritik des ersten Entwurfes ebenso wenig
etwas erinnert als gegen die vom Entwürfe für erforderlich erachtete
Unterscheidung der Fälle des Vertragsschlusses und der Vornahme eines
einseitigen Rechtsgeschäfts. Die dadurch bedingten Abweichungen von
der Fassung des H.G.B. kann G. also bei seinen Vorwürfen nicht im
Auge gehabt haben.
Nach Art. 55 H.G.B. haftet persönlich, wer ein Handelsgeschäft
als Prokurist oder als Handlungsbevollmächtigter schließt, ohne Prokura
oder Handlungsvollmacht erhalten zu haben. Diese Fassung hat eine
verschiedene Auslegung erfahren.' Das Reichs - Oberhandelsgericht hat
Bd. 22 S. 33 der Entscheidungen ausgeführt:
Zur Begründung der Klage (gegen den Vertreter auf Erfüllung)
genügte die Behauptung, daß der Verklagte es unterlaffen habe, den
Kläger in den Stand zu setzen, den Vertretenen (B.) in Anspruch
zu nehmen. Sache des Verklagten war es nunmehr, in der Klage-
beantwortung zu exzipiren, daß B. ihm das Mandat wirklich ertheilt
habe. Diese Einrede durfte der Kläger in der Replik noch be-
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