Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

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Literatur.

zu geben hat, läßt sich schwerlich eine allgemein gültige Regel aufstellen.
Die Kommission hat geglaubt, sich in jedem einzelnen Falle die Ge-
fahren, die aus einer Ungenauigkeit der Fassung erwachsen können, ver-
gegenwärtigen und auf dieser Grundlage entscheiden zu sollen, ob auf
die Genauigkeit verzichtet werden kann. Der erste Tadel G.'s beruht
auf der Voraussetzung, daß der Standpunkt der Kommission thöricht
und daß es ein Gebot der Weisheit sei, ohne Rücksicht auf jene Ge-
fahren die Genauigkeit der Fassung preiszugeben. Ich fürchte, daß diese
Auffassung nicht viele Anhänger finden wird.
Auch der zweite Vorwurf beruht auf einer eigenthümlichen Ansicht
G.'s von der Aufgabe des Gesetzgebers, nämlich auf der Ansicht, daß
der Gesetzgeber, wenn er eine Materie neu ordnet, mit dem Gesetze einen
Kommentar verbinden müsse, der über die Unterschiede zwischen dem
neuen Gesetz und den bisherigen Gesetzen belehrt. Diese Methode ist
bisher nicht üblich gewesen und ihre Zweckmäßigkeit zu bezweifeln.
Der dritte Vorwurf bedarf der Darlegung an den einzelnen Vor-
schriften, auf die er sich beziehen soll. Dieser Darlegung entzieht sich
G. durch folgende — alle drei Vorwürfe umfassende — Wendung:
Wer die Probe aus das Gesagte machen will, vergleiche etwa die Be-
stimmungen des Art. 55 nebst Art. 298 Abs. 2 des Handelsgesetz-
buchs über den vollmachtslosen Vertreter mit den §§ 175 —176 des
Entwurfes. Oder er halte die für die offene Handelsgesellschaft in
Art. 130—131 des Handelsgesetzbuchs gegebenen Vorschriften mit den
§§ 314—322, 341—350, 434—435, 447—448 des Entwurfes zu-
sammen. Oder er mache den Versuch, aus den §§ 314—322, 341
bis 350, 434—435, 447—448 des Entwurfes zu ermitteln, inwie-
weit die Regeln der Art. 354—359 des Handelsgesetzbuchs über die
Folgen des Erfüllungsverzugs beim Handelskaufs künftig für den Kauf
überhaupt gelten sollen.
Diese Art der Beweisführung ist äußerst bequem, aber doch nur
geeignet, Unkundige zu blenden. Prüfen wir ihren Gehalt wemgstens
an dem ersten der von G. gewählten Beispiele!
Art. 55 des Handelsgesetzbuchs lautet:
Wer ein Handelsgeschäft als Prokurist oder als Handlungsbevoll-
mächtigter schließt, ohne Prokura oder Handlungsvollmacht erhalten
zu haben, ingleichen ein Handlungsbevollmächtigter, welcher bei Ab-
schluß eines Geschäfts seine Vollmacht überschreitet, ist dem Dritten
persönlich nach Handelsrecht verhaftet; der Dritte kann nach seiner
Wahl ihn auf Schadensersatz oder Erfüllung belangen.
Diese Haftungspflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte, ungeachtet
er den Mangel der Prokura oder der Vollmacht oder die Ueber-
schreitung der letzteren kannte, sich mit ihm eingelassen hat.
Art. 298 Abs. 2 fügt hinzu:
Jngleichen gilt die Bestimmung des Art. 55 in Beziehung auf den-
jenigen, welcher ein Handelsgeschäft als Bevollmächtigter schließt, ohne
Vollmacht erhalten zu haben, oder welcher bei dem Abschlüsse des
Handelsgeschäfts seine Vollmacht überschreitet.

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