Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

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Literatur.

Rechtssätze erblicken, dürste das Verständniß nicht schwer werden. Solch
Leser werden sich aus den Vorschriften des Entwurfes zunächst über
zeugen, daß die „Entdeckung":
„daß der doppelt verheirathete Ehegatte, wenn ihm nicht böser Glaube
nachgewiesen werden kann, von der Stunde der Aufklärung an das
Recht haben soll, durch Umstoßung der neuen Ehe zugleich das erste
und das zweite Ehejoch abzuschütteln und sein Glück in einer dritten
Ehe zu suchen,
nur ein — dem Entwürfe fremdes — Phantasiebild G.'s ist.
Der Entwurf regelt die Frage, wie es, wenn der Ehegatte eines
für todt Erklärten zu einer neuen Ehe geschritten ist, mit den beiden
Ehen gehalten werden soll, falls sich ergiebt, daß der für todt erklärte
Ehegatte noch am Leben war, grundsätzlich in Uebereinstimmung mit den
§§ 666, 667 II. 1 A.L.R.'s: Mit der Schließung der neuen Ehe soll
die frühere Ehe aufgelöst sein, und sie soll aufgelöst bleiben, auch wenn
das die Todeserklärung aussprechende Urtheil auf Grund einer nach
Eingehung der neuen Ehe erhobenen Anfechtungsklage aufgehoben wird.
Die an die Wiederverheirathung geknüpften Rechtsfolgen, also auch
die Auflösung der früheren Ehe, treten aber nicht ein, wenn die zweite
Ehe nichtig ist. Dies ist in dem Kommissions-Entwurf ausdrücklich her-
vorgehoben, von dem Bundesrath aber als selbstverständlich gestrichen
worden. Wann die neue Ehe nichtig ist, bestimmen die §§ 1309 — 1313
(1307—1311 der Reichstagsvorlage). Andere Nichtigkeitsgründe giebt
es nach § 1308 (1306 der Reichstagsvorlage) nicht; § 1311 (1309
der Reichstagsvorlage) findet aber hier nur Anwendung, wenn beide
Ehegatten der neuen Ehe bei der Eheschließung wissen, daß der für
todt Erklärte die Todeserklärung überlebt hat.
Einer nichtigen Ehe steht nach § 1328 (1326 der R.T.V.) eine
Ehe gleich, die anfechtbar ist und angefochten wird. Die Anfechtungs-
gründe sind nach ß 1315 (1313 der R.T.V.) in den §§ 1316—1320
und 1335 (1314 —1318 und 1333 der R.T.V.) erschöpfend bestimmt.
Der § 1335 (1333 der R.T.V.) trägt der Thatsache, daß nach den
Grundsätzen des gemeinen evangelischen und des katholischen Kirchenrechts
im Falle der Rückkehr des für todt erklärten Ehegatten die erste Ehe
als fortbestehend und die zweite Ehe als nichtig behandelt wird und
daraus möglicher Weise Gewissensbedenken gegen die Fortsetzung der
neuen Ehe entstehen können, dadurch Rechnung, daß er dem gutgläubigen
Ehegatten der zweiten Ehe die Anfechtung der zweiten Ehe gestattet.
Bliebe es in allen diesen Anfechtungsfällen bei der Regel des
§ 1328 (1326 der R.T.V.), so würde sich ergeben, daß auch die in
Folge einer Anfechtungsklage für nichtig erklärte Ehe nicht die Auf-
lösung der ersten Ehe zur Folge hat, vielmehr der Bestand der ersten
Ehe durch die Wiederverheirathung nicht alterirt wird. Dieses Ergeb-
nis erschien in dem Falle des § 1335 (1333 der R.T.V.) völlig an-
gemeffen; für die übrigen Ansechtungsfälle der §§ 1316 — 1320 (1314
bis 1318 der R.T.V.) glaubte die Kommission den Grundsatz des
§ 1328 (1326 der R.T.V.) durchbrechen und es bei der Auflösung der

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