©tcr!e, Das Bürgerliche Gesetzbuch und der Deutsche Reichstag. 671
Als „verzwickt, undurchsichtig und überkünstlich" bezeichnet G. die
Vorschriften über die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlich-
keiten. Man soll aus diesen Vorschriften nicht einmal ersehen können,
ob der Erbe von Hause aus für die Erbschaftsschulden unbeschränkt oder
beschränkt, persönlich oder mit dem Nachlasse verhaftet ist. Hätte G.
die Güte gehabt, die Lektüre der §§ 1943—1992 der Reichstagsvorlage
(§§ 1945—1994 des Kommissions-Entwurfes) mit der Lektüre der die
beschränkte Haftung des Erben betreffenden Vorschriften der Civilprozeß-
ordnung (§§ 695, 696) und der dazu von der zweiten Kommission ge-
machten Aenderungs- und Ergänzungsvorschläge zu verbinden, so würde
er vielleicht selbst an der Gerechtigkeit seiner Beurtheilung gezweifelt
haben.
Nach der Civilprozeßordnung kann der wegen einer Nachlaßverbind-
lichkeit in Anspruch genommene Erbe auf Grund der Rechtswohlthat des
Inventars vorerst nur einen Vorbehalt im Urtheile verlangen und erst
in der Zwangsvollstreckungsinstanz, in der die Rechtswohlthat zunächst
unberücksichtigt bleibt, durch Erhebung von Einwendungen bewirken, daß
die Zwangsvollstreckung ausgesetzt, aufgehoben oder beschränkt
werde. Ob und inwieweit Aussetzung, Aufhebung oder Beschränkung
der Zwangsvollstreckung verlangt werden kann, soll das bürgerliche Recht
bestimmen. Der Entwurf hatte hiernach eine durch das bestehende
Reichsrecht bestimmt bezeichnete Aufgabe zu erledigen, nicht aber mit
G. vorzuschreiben, wie der Erbe „von Hause aus" für die Nachlaßver-
bindlichkeiten hafte. Eine Darstellung der Erbenhaftung nach dem Re-
zepte G.'s würde, wie mir scheint, mit Recht als doktrinär und lehr-
buchmäßig zu tadeln gewesen sein. Diesen — von G. sonst so scharf
bekämpften — Doktrinarismus hat die zweite Kommission dadurch ver-
mieden, daß sie die Voraussetzungen und die praktischen Wirkungen der
beschränkten Haftung im Anschluß an die Vorschriften der Civilprozeß-
ordnung und entsprechend der dort gestellten Aufgabe normirt hat. Daß
es der Doktrin schwer fallen werde, aus den Normen des Entwurfes
die Fragen G.'s zu beantworten, ist nicht zu besorgen: die Antworten
ergeben sich für Jeden, der sehen will, aus den §§ 1969 Abs. 1 Satz 2
und 1950 in Verbindung mit 1988 der Reichstagsvorlage (§§ 1971,
1952, 1990 des Kommissions-Entwurfes).
Ein weiterer Tadel G.'s richtet sich gegen die Fassung der die
Wiederverheirathung im Falle der Todeserklärung betreffenden §§ 1333
bis 1337 des Kommissions-Entwurfes (§§ 1331—1335 der Reichstags-
vorlage). G. will es den Lesern überlassen, die Fälle herauszurech-
nen, in denen
die alte Ehe wegen Nichtigkeit der neuen Ehe fortbesteht oder die
neue Ehe unter Aufhebung der alten Ehe unanfechtbar besteht oder
endlich die neue Ehe trotz Auflösung der alten Ehe angefochten wer-
den kann.
Wer mit G. diese Aufgabe für eine arithmetische hält, wird freilich bei
der Lösung ebenso, wie es G. ergangen ist, Schiffbruch leiden. Lesern
dagegen, die in den §ß 1333—1337 nicht Rechenexempel, sondern