Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

*600 Elterliche Gewalt und Vormundschaft im Entwurf eines B.G.B.
Grundsätze enthält der Entwurf nicht; es ist insbesoüdere über die
Frage der Berufswahl Bestimmung nicht getroffen, so daß danach
dem Kinde irgend ein Rechtsmittel gegen die väterliche Bestimmung
nicht zufteht. Zch erachte dies für einen kleinen Rückschritt gegenüber
dem preuß. A.L.R. II. 2 §§ 112 ff. (Vergl. jedoch § 1643. Die Red.)
Die Frage der religiösen Erziehung der Kinder (Eins. Ges. Art.
133) ist landesgesetzlicher Bestimmung überlassen. Der Vater kann
Mast seines Erziehungsrechts angemeffene Zuchtmittel gegen das Kind
-anwenden; das Vormundschaftsgericht hat ihn dabei zu ünterstützen.
Die letztgedachte Bestimmung dürfte trotz ihres erheblichen theore-
tischen Werthes, wie ich fürchte, eine wesentliche praktische Wirkung
nicht haben. Eine Unterstützung des Vaters bei Anwendung des
gebräuchlichsten und wirksamsten Zuchtmittels — ich brauche es wohl
nicht näher zu beschreiben — ist der Natur der Sache nach ausge-
schlossen; es bleibt also nur — und darauf verweisen auch die
Motive S. 752 — die Unterbringung in eine Erziehungs- oder
Besserungsanstalt übrig. Nun liegt aber die Sache praktisch so, daß
ein vermögender Vater der Hilfe des Gerichts zur Unterbringung
seines Kindes kaum bedürfen wird, während die Unterbringung
Mittelloser an der Unzulänglichkeit der bestehenden Anstalten und der
Mangelhaftigkeit unserer öffentlichen Armenpflege scheitern dürfte.
Die Vormundschaftsrichter werden in der Mehrzahl der Fälle sich
der ihnen auferlegten Pflicht unter Berufung auf den Satz „ultra
P0836 N6M0 odli§a.tur" entziehen können. Dennoch möchte ich die
'Vorschrift nicht miffen. Wird ihre praktische Anwendbarkeit auch
zunächst nur gering sein, so kann sie doch in den Händen ener-
gischer Richter ein Mittel werden, die Armenpflege und das öffent-
liche Erziehungswesen zu Fortschritten zu drängen, vielleicht selbst
sparsame Kommunalverwaltungen zu Ausgaben auf diesem Gebiete
zu veranlassen.
Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt das Recht, die
Herausgabe desselben von jedem zu verlangen, der es dem Vater
widerrechtlich vorenthält (§ 1610). Dies Recht steht mithin auch
der Mutter bei bestehender Ehe zu; denn auch sie hat Recht und
Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Der I. Entw. hatte
hinzugefügt, daß der Vater polizeiliche Hilfe gegenüber dem sich
weigernden Kinde in Anspruch nehmen dürfe. Schon der II. Entw.
hatte diesen Zusatz gestrichen, ohne doch, wie ich glauben möchte,
dadurch am materiellen Rechte etwas zu ändern. Die Konsequenz

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