Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 40 = 5.F. Jg. 5 (1896))

Rechtsweg.

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Der durchgreifende Entscheidungsgrund des Berufungsgerichts
liegt aber auch nicht sowohl in der Annahme, daß die als Besitz-
störung gerügten Vorkommnisse unter das Gesetz vom 13. Februar
1875 fallen, als vielmehr, anschließend an die Entscheidung des
dritten Civilsenats des Reichsgerichs vom 24. September 1884
(Entsch. Bd. 24 S. 36) in der Annahme, daß jene Vorkomniffe eine
Ausübung des Militärhoheitsrechtes darstellen (Verordn, vom 26. De-
zember 1808, G.S. S. 464, § 36); wie denn auch lediglich hierauf
der Beklagte den in der Berufungsinstanz erhobenen Einwand der
Unzulässigkeit des Rechtsweges gestützt hat. Es besteht aber ein
wesentlicher Unterschied zwischen dem jener Entscheidung des dritten
Senats zu Grunde liegenden und dem gegenwärtig zur Beurtheilung
stehenden Thatbestande. Dort verlangte der Kläger die Einstellung
des Schießens mit Zielmunition auf dem seinem Hause benach-
barten Kasernenhof, oder die Herstellung von Vorrichtungen, durch
die der mit dem Schießen verbundene Lärm von seinem Grundstücke
ferngehalten werde. Das Schießen war vom Truppenkommando zum
Zwecke der Ausbildung von Truppen angeordnet worden, also, ebenso
wie vorliegend das Schießen mit scharfer Munition auf dem Schieß-
plätze, eine Ausübung des Militärhoheitsrechtes. Der Lärm war,
als von dem Schießen unzertrennlich, selbstverständlich von dem Mili-
tärkommando als nothwendige Folge des Schießens erkannt und mit
diesem gewollt und die Klage auf Unterlassung des Schießens ver-
langte somit die Unterlassung einer in dem Militärhoheitsrechte be-
gründeten Thätigkeit. Dagegen ist das Ueberfliegen der Geschosse
nicht nothwendige Folge des Schießens, nicht mit diesem gewollt,
auch dann nicht, wenn es nicht durch ausreichende Vorsichtsmaßregeln
vermieden worden ist; ein nicht gewolltes Handeln, oder ein Handeln
in nicht gewollter Weise kann nicht Geltendmachung und Ausübung
eines Rechtes sein, und das Ueberfliegen der Geschosse, gegen das
allein die Klage sich richtet, ist also auch, wie der Kompetenzgerichts-
hof mit Recht annimmt, nicht Ausübung des Militärhoheitsrechtes,
und wenn es unter Umständen geschieht, die es als Besitzstörung er-
kennen lassen, nicht aus diesem Grunde der Abwehr durch die, sei es
possessorische, sei es petitorische, Klage entzogen. Den beregten Unter-
schied verkennt das Berufungsgericht, indem es die „von den mili-
tärischen Vorgesetzten zum Zwecke der Truppenausbildung angeord-
neten Handlungen und die Folgen solcher Anordnungen", ohne Unter-
scheidung nothwendiger und zufälliger Folgen, oder, wie es an anderer

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