Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

880 Entziehung der Geschäftsführung aus rechtmäßigen Ursachen.
der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle darin bestehen, daß
der bisherige Verwalter hinterdrein sich als unfähig nicht bloß zu
ausschließlicher Geschäftsführung, sondern zur Geschäftsführung
schlechtweg erweist: also z. B. wenn derselbe geisteskrank oder sonst
andauernd krank wird, wenn er ins Zuchthaus kommt, wenn er
ein liederliches Leben führt, wenn er leichtsinnige Geschäfte macht
u. s. w. Zn allen diesen Fällen wird der Zweck des Widerrufs
nur dann erreicht werden, wenn dem bisherigen Geschäftsführer
jede, nicht bloß die ausschließliche Verwaltung entzogen wird.2) —
Daß sich mit der hier vertheidigten Ansicht der Wortlaut des
Art. 101 recht wohl vereinigen läßt, bedarf keiner Begründung,
wenn auch zugegeben werden mag, daß diese Ansicht deutlicher zum
Ausdruck gekommen wäre durch die Fassung:
„die im Gesellschaftsvertrage einem oder mehreren Gesellschaftern
übertragene Geschäftsführung kann .... nicht ohne rechtmäßige
Ursache widerrufen werden."

Welche Wirkungen hat nun aber der Widerruf gemäß
Art. 101 nach der von uns vertretenen Ansicht?
Die Antwort wird je nach den konkreten Fällen eine ganz ver-
schiedene sein. Zunächst erleidet es keinen Zweifel, daß — wie
Merfeld mit Recht hervorhebt — der Gesellschaftsvertrag maßgebend
ist, wenn er die Wirkungen des Widerrufs zum Voraus normirt
hat. Hat der Gesellschaftsvertrag eine solche Bestimmung nicht ge-
troffen — und sie wird wohl höchst selten getroffen werden — fo
ist zu unterscheiden:
1. War der von der Geschäftsführung nunmehr zurückgerufene
Theilhaber der einzige zur Verwaltung befugte Genosse, so fällt die
Verwaltung, wie schon zuvor ausgeführt, keinesfalls den andern
Genoffen anheim. War schon bisher eine dritte Person, z. B. ein
Prokurist, mit der Verwaltung betraut, so hat es hierbei sein Ver-
bleiben. Es widerspricht weder der Theorie der offenen Handels-
gesellschaft nach den Bedürfnissen des Verkehrs, wenn keiner der
Genoffen an der Geschäftsführung Theil nimmt. Als Beispiel mag
2) Diejenigen Fälle, welche nach dem letzten Absätze des Art. 101 gewisser-
maßen als Musterfälle des Widerrufsrechts bezeichnet sind (nämlich die in Art. 125
Ziff. 2—5 des Handelsgesetzbuchs erwähnten), sind ausnahmslos solche, welche
den bisherigen Geschäftsführer als untauglich zu jeder weiteren Geschästsleitung
erscheinen laffen.

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