Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

12.17. Ullmann, Emanuel: Lehrbuch des Deutschen Strafprozeßrechts

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Literatur.

kategorische Imperativ der Vergeltung decke sich mit den Nützlichkeit^
rücksichten der Politik.
So dankenswerth auch eine so versöhnliche Gesinnung ist und so
wünschenswerth die Ausgleichung der Gegensätze, — in des Verfassers
Ausführungen wird schwerlich ein greifbarer Inhalt gefunden werden,
der jenem Zwecke dienen könnte. Es wäre eine hochbedeutsame That,
im Kampf der Meinungen, der nun Jahrtausende währt, eine Brücke
von hüben nach drüben zu schlagen: aber ganz so einfach, wie der Ver-
fasser sie ansieht, möchte diese Aufgabe denn doch nicht sein. Die alte
Erfahrung, daß da, wo die Schulen so heiß sich befehden, ein tief-
greifender Gegensatz der Lebensanschauungen, der nicht von heut
auf morgen geschlichtet wird, zu Grunde liegt, macht es wenig wahr-
scheinlich, daß hier bis jetzt nur um des Kaisers Bart gestritten worden
ist. Wer aber den Gegensatz der Anschauungen vom Wesen der Strafe,
wie der Verfasser es liebt, mit einer ironischen Frage wie diese abthut:
„Giebt der Arzt Medizin, weil der Mensch krank ist oder damit er
nicht ferner krank sei?" — dem sollte mit einer Gegenfrage wie diese
geantwortet werden: „Bestrafe ich den Buben, weil er mir meinen Hund
todtgeschlagen hat oder damit er mir ebendiesen Hund nicht ferner
todtschlage? —
Recht unerfreulich sind im einleitenden und allgemeinen Theile des
Lehrbuchs die immer wiederkehrenden antithetischen Redefiguren, denen
theils ein nur scheinbarer, theils ein selbstverständlicher Gegensatz der
Ideen zu Grunde liegt. So wenn der Verfasser zur Erkenntniß er
wähnt, daß das Verbrechen „nicht nur ein Begriff, sondern ein Ereigniß
der Sinnenwelt" sei: — wer hat je bezweifelt, daß der Begriff des
Verbrechens sich auf ein sinnliches Ereigniß bezieht? Oder wenn er den
Satz aufstellt: „Nicht die Rechtsordnung erzeugt das Interesse, sondern
das Leben." Leider fehlt es auch sonst nicht an mancherlei Aussprüchen,
die einen gar zu kärglichen Gedankeninhalt bergen. Daß „die Strafe
nicht um ihrer selbst willen da ist", daß „das Mittel über den Zweck
zu stellen, nicht zweckmäßig erscheint", — dergleichen Trivialitäten sollte
ein gescheutes Buch seinen Lesern nicht darbieten. Heinemann.

48.
Lehrbuch des Deutschen StrafprozeßrechtN von Emanuel Ullmann. München
1893. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck). XI u. 676 S
(M. 12,50).
Kaum hat das v. Kries'sche Lehrbuch des Deutschen Strafprozeß-
rechts (vergl. oben S. 459 ff.) die Presse verlassen, so 'erscheint Ullmann,
der Nachfolger Geyer's auf dem Lehrstuhle des Strafrechts in München,
mit einem dieselbe Materie betreffenden Lehrbuche auf dem Plane.
Angesichts der bereits vorhandenen Lehrbücher des Deutschen Strafpro-
zesses (von denen das Stenglein'sche in dem Literaturverzeichnisse S. 74
übersehen ist; vergl. jedoch S. XI) ist für die Bedürfnisse des juristischen
Publikums nunmehr jedenfalls mehr als hinreichend gesorgt. Der Ver-

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