Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

222

Verein, Verbindung, Gesellschaft, Korporation.

als Vereine bezeichnet hätte. Wenn schon die Dauer der äußeren
Vereinigung, des Zusammenbleibens kein Beweis für die Vereins-
bildung ist, so ist es die bloße Thalsache der Vereinigung, das
Zusammentreten noch viel weniger. Wird irgend Jemand die Komitee
u. s. w., welche bei Unglücksfällen z. B. Bränden, Ueberschwemmungen,
Erdbeben die Sammlung von milden Gaben für Hülfsbedürftige in
die Hand nehmen, als Verein bezeichnen? Ihre Vereinigung ist
oft recht langdauernd. Im Gegensatz zu ihnen sei auf die Wohl-
thätigkeitsvereine hingewiesen. Die lose Verbindung der ersten gibt
ihnen ihren Namen, die feste Geschlossenheit der zweiten verschaffte
ihnen die Bezeichnung Verein. Wird man den Reichstag, die Reichs-
justizkommission Vereine nenne? Hat man es jemals gethan? Ist
eine Tischgesellschaft, eine Klaffe im Internat ein Verein? Bisher
hat sich der Sprachgebrauch an dem losen, rein thalsächlichen
Zusammenhang dieser Gebilde gestoßen. Die gänzliche Freiheit und
Unverantwortlichkeit des Einzelnen gegenüber dem Genoffen ist mit
dem Vereinsbegriff unverträglich. Wären sie es nicht, dann müßten
auch Stammtische und jede Richterbank ein Verein sein. Werden
die Mitglieder der deutschen Strafkammern und Strafsenate dies
anerkennen? Bisher hat sicherlich noch kein deutsches Richterkollegium
sich als Verein betrachtet. Nun gar die harmlosen Stammtische!
Bei strenger Auslegung der deutschen Vereinsgesetze müßte eigentlich
jeden Abend in allen Wirthschaften eine Razzia abgehalten werden,
um die politisirenden Stammtische aufzuheben. Das bloße nicht
auf vertragsmäßiger Verpflichtung beruhende Zusammenhalten der
Mitglieder unter einander genügt also nicht, einen Verein her-
zustellen. Bildungen wie die eben genannten fallen aus dem
Vereinsbegriff heraus. Rechtsverhältnisse zu Dritten sind ohne
Belang auch dann, wenn in ihnen die eine Personenmehrheit zu-
sammenhaltende Kraft sich darstellen sollte, z. B. die Vereins-
mitglieder haben sich Dritten verpflichtet, diesem bestimmten Verein
beizutreten oder in ihm zu bleiben. Oder wie beim Aufsichtsrath,
der Richterbank, es existirt keine Verpflichtung der Mitglieder unter
einander, wohl aber eine solche nach außen. Auch hier ist die Ver-
pflichtung gegen Dritte für die Verwirklichung des Vereinsbegriffes
unwesentlich. Die Mitglieder der Reichsjustizkommission, der Richter-
bank, einer Universitätsfakultät, eines Lehrerkollegium sind dem
Staate zu einer gewiffen Thätigkeit verpflichtet, gemeinschaftlich
üben sie dieselbe aus und bilden doch keinen Verein. Ebensowenig

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer