Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

Verein, Verbindung, Gesellschaft, Korporation. 21A
Verein ist eine Vereinigung! Ferner ist zu erinnern, daß Ver-
einigung überhaupt gar keinen juristischen Begriff bezeichnet, sondern
nur etwas äußerlich-thatsächliches. Das innere Wesm der Organisation,
welche vom Gesetz getroffen werden soll, ist damit nicht angegeben.
Freilich ist denkbar, daß der Verein etwas äußerlich-thatsächliches
sei, andererseits kann er aber auch mehr, etwas juristisches sein.
Zm letzten Falle ist die versuchte Definition gänzlich verfehlt, weil
dann die Gleichsetzung von Verein und Vereinigung die Identifizirung
von Inhalt und Erscheinungsform bedeuten würde. Ob nun der
Verein etwas rein thatsächliches ist, soll die folgende Untersuchung
zeigen.
Die Maurer bilden auf dem Kongreß eine Versammlung, aller-
dings nach Ansicht des Reichsgerichtes, weil der Kongreß nur von
kurzer Dauer ist. „Die Annahme, daß in den zeitweiligen kurzen
Versammlungen der Kongreffe eine Vereinsbildung nicht liege, läßt
sich nicht beanstanden." Dann wären also Versammlungen von
längerer Dauer Vereine! Ein Gesang-, Vergnügungs- u. s. w.
Verein, der sich nach zwei Tagen wieder auflöste, wäre umgekehrt
etwa eine Versammlung, trotzdem sich sämmtliche Mitglieder niemals
auf demselben Fleck zusammengefunden haben. Angenommen fünf
Mann gründen den Verein und fetzen das Statut auf, in den beiden
nächsten Tagen treten durch Anmeldung zehn neue Mitglieder zu
und auf Grund schriftlicher Willenseinigung unter Abwesenden, erfolgt
am Abend des zweiten Tages der den Verein auflösende Beschluß.
Hier hat sich ein Verein aufgelöst, während eine Versammlung
überhaupt nicht bestanden hat. Daraus ergibt sich, daß die Ver-
wirklichung des Vereinsbegriffes unabhängig von der längeren oder
kürzeren Dauer der Vereinigung, überhaupt auch unabhängig von
jedem zwischen den Mitgliedern bestehenden Raumverhältniß ist.
Wie viele weitverzweigte Vereine, Vereinigungen gibt es, deren
Mitglieder sich nur zum geringsten Theil persönlich kennen lernen.
Ihre Zugehörigkeit zum Verein besteht, trotzdem sie mit den übrigen
Mitgliedern nur schriftlich verkehren. Man denke an die inter-
nationalen wissenschaftlichen Vereinigungen, um nur ein Beispiel
von vielen ins Auge zu fassen. Die Dauer der äußeren Vereinigung
ist darum auch kein Beweis für die innere Vereinigung, d. h. das
Dasein eines Vereins. Dies geht schon daraus hervor, daß ein
nach 24 Stunden aufgelöster Verein immerhin ein Verein war. Es
ist gar nicht abzusehen, in welchem Kausalitätsverhältniß die längere

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