Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 37 = 5.F. Jg. 2 (1893))

Krückmann, Heber den Vertragsschluß.

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Die Annahme als solche sei kein Rechtsgeschäft. Nur bei gegenseitigen
Forderungsverträgen sei ein solches auch in der Annahme zu finden,
weil in ihr zugleich ein Antrag liege (ebenso wie in dem Anträge zu-
gleich eine antizipirte Annahme). Da die Annahme Erfüllung einer
Bedingung sei und Bedingungen den verschiedensten Inhalt haben könnten,
so könne — wie der Verfasser im Anschluß an Sohm'sche Ideen aus-
führt — dem Antragsempfänger auferlegt sein, den Vertrag durch eine
Handlung zum Abschluß zu bringen, welche nicht eine an den Antrag-
steller persönlich gerichtete Willenserklärung sei, z. B. durch eine Er-
klärung an einen Dritten oder eine absolute (d. h. an Niemand persön-
lich gerichtete) Willenserklärung. Eine Annahme letzterer Art liege vor
bei dem Besitz- und Eigenthumsübertragungsvertrage.
Der Antrag müsse dagegen an eine bestimmte Person gerichtet sein.
Bei der sog. Offerte ad incert. pers. sei der Antragsempfänger objektiv
nicht unbestimmt; es sei Jedermann schlechthin oder Jedermann aus einem
bestimmten Personenkreise. Nicht jeder Antragsempfänger sei aber ein
möglicher Kontrahent, sondern annehmen könne nur, wer in der vorge-
schriebenen Weise thätig werde, oder wer auf Grund des Thätiggeworden-
seins die Annahmeerklärung abgebe.
Was den Bestand des Antrages angeht, erklärt der Verfasser, daß
die Verpflichtung aus der Thatsache des Offerirens nicht mit der Un-
widerruflichkeit des Antrages zu verwechseln sei. Die Vertragswirkung
könne durch Widerruf gehindert werden; derselbe müsse aber ausdrück-
lich erklärt sein, eine bloße mutatio voluntatis genüge nicht. Der
Widerruf hebe aber nicht alle Verpflichtung auf; es werde derselben
vielmehr nur ein anderer Inhalt gegeben: der Antragsteller müsse nun-
mehr das negative Vertragsinteresse, Antragsinteresse leisten. Tod des
Antragsstellers hebe gleichfalls nicht den Bestand des Antrages auf.
Für die Perfektion des Antrages, ebenso der persönlich gerichteten
Annahmeerklärung und des Widerrufs läßt der Verf. die allgemeine
Frage entscheidend sein: wann ist eine Willenserklärung perfekt? Er
sieht die Erklärungshandlung als vollendet an mit der Thätigkeit des
Erklärenden, doch ist auch die mittelbare Thätigkeit des Erklärenden ein-
gerechnet. Diese Theorie wird als Wahrnehmbarkeitstheorie bezeichnet,
da „in abstraeto der Erfolg der vollendeten Erklärungshandlung in der
Wahrnehmungsmöglichkeit des geäußerten Willens bestehe". Lebhaft
wendet sich der Verf. gegen die Vernehmungstheorie. — Den Schluß
der Arbeit bildet eine Uebersicht über die moderne Gesetzgebung und
eine Wiedergabe der §§ 80—85, 89 des Entw. d. bürgerl. Gesetzb.
Im Laufe der Untersuchung prüft der Verf. die vielbehandelten
Quellenstellen und bespricht verschiedene Rechtsgebilde, die für ihn un-
mittelbar oder mittelbar beweisend scheinen: Besitzübertragungsvertrag,
proearium, emt. all gustum, nsgot. elaudieans, poliieitatio, votum, Aus-
lobung, jussus und praepositio institoris, Inhaber- und Orderpapier.
In letzteren Papierforderungen liegt nach ihm ein unwiderruflicher, an
Jedermann gerichteter, bedingter, nur in bestimmter Form annehmbarer

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