Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

Internationales Privatrecht.

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4. In Angelegenheiten, welche deutsche Interessen nicht berühren,
läßt der deutsche Gesetzgeber dem Auslande freie Hand und
mischt sich nicht in dieselben hinein.
Wir werden sehen, daß diesen Anforderungen die Regelung des
internationalen Privatrechts im E.G. entspricht, wenn seine Sätze
auf der Grundlage der Zuständigkeitserwägung ausgelegt werden.
Was ist aus dem Umstande zu entnehmen, daß der
deutsche Gesetzgeber ausdrücklich oder stillschweigend das
für gewisse Thatbestände maßgebende Recht bestimmt?
Dies ist der springende Punkt der ganzen Zuständigkeitserwägung.
Die Antwort lautet:
Durch die Aufstellung von Kollisionsnormen für gewisse That-
bestände bringt der deutsche Gesetzgeber zum Ausdrucke, daß er sich
für zuständig erachtet, die Kollisionsnormen für die betreffenden
Thatbestände mit verbindlicher Kraft für seine Gerichte zu erlaffen.
Da aber der deutsche Gesetzgeber schlechterdings für sich eine größere
Gesetzgebungsgewalt nicht in Anspruch nehmen kann und will, als
er sie jedem anderen Gesetzgeber auch zuerkennt, so ist daraus der
Schluß zu ziehen, daß, wenn bei einem Thatbestände diejenigen Be-
ziehungen zu dem Deutschen Reiche, von denen der deutsche Gesetz-
geber seine Zuständigkeit zur Aufstellung von Kollisionsnormen ab-
leitet, nicht vorliegen, er für die Aufstellung solcher Normen denjenigen
Gesetzgeber für zuständig erachtet, für dessen Staat diese Beziehungen
vorliegen.
Daß ein Gesetzgeber, der sich von diesen Erwägungen leiten läßt,
in bescheidener Weise seine Rechtsordnung gegenüber der Kompetenz
anderer Rechtsordnungen zurücktreten ließe, wird man kaum behaupten
können. Hierüber wird man erst urtheilen können, wenn man die von
dem Gesetzgeber für sich in Anspruch genommene Zuständigkeit selbst
ins Auge faßt. Würde z. B. ein Gesetzgeber bestimmen, daß die
Geschäftsfähigkeit einer Person nach ihrem nationalen Rechte zu be-
urthecken sei, und sich nicht entschließen können, eine Ausnahme von
diesem Satze zu Gunsten der Sicherheit des inländischen Rechts-
verkehrs zu machen (vergl. E.G. Art. 7 Abs. 3), so würde darin
wohl ein Zurückweichen vor fremder Kompetenz gesehen werden
können. Aber soweit ich sehe, hat sich der deutsche Gesetzgeber, selbst
wenn man unterstellt, daß er sich von dem Prinzipe der Zuständigkeits-
erwägung habe leiten laffen, eines solchen Zurückweichens nicht
schuldig gemacht. Vielmehr hat er überall, wo es ihm auch nur

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