Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

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Rechtsmißbrauch.

Für die Zulässigkeit der Berufung auf das Verbot mißbräuch-
licher Rechtsausübung macht es des Weiteren keinen Unterschied,
welchem Gebiete des Privatrechts die auszuübende Befugniß ange-
hört. Vor Allem bleibt die Bestimmung keineswegs nur auf Ver-
mögensrechte beschränkt. Ebensowenig kommt es darauf an, von
was für einer Beschaffenheit die objektive Rechtsnorm ist, aus welcher
der Ausübende seine subjektive Berechtigung herleitet. Vielmehr
greift das Chikaneverbot in gleicher Weise in das Gewohnheitsrecht,
wie auch in das Gesetzesrecht ein; und das letztere wird von ihm
betroffen, mag es sich um Reichsgesetze oder Landesgesetze handeln.
Insbesondere entscheidet für die Anwendung durchaus nicht etwa
der Umstand, ob die jedesmalige Berechtigung einem im B.G.B.
selbst geregelten Institut angehört.
Einer Person, die nur die Möglichkeit hat, ein Recht zu er-
werben (Anwartschaft, kaeultas), die jedoch ein wirkliches Recht noch
nicht besitzt, kann mit der Berufung auf das Rechtsmißbrauchsverbot
nicht entgegengetreten werden, sobald sie von der ihr eingeräumten
kueultas Gebrauch macht. Das rechtfertigt sich in erster Linie daraus,
daß hier keine bestehende Befugniß bethätigt, sondern eben ein Recht
erst erworben werden soll. Sodann besteht für den Ausübenden
immer ein Interesse an der Erwerbung der ihm zugänglich gemachten
Berechtigung, und daher erscheint es ausgeschlossen, daß eine der-
artige Handlungsweise „nur" den Zweck haben kann, einem Anderen
Schaden zuzufügen.
Das in das B.G.B. übergegangene Chikaneverbot ist zwar ein
allgemeines, immerhin muß indeffen mit großer Strenge daran fest-
gehalten werden, daß seine Geltung lediglich auf das Gebiet des
Privatrechts beschränkt bleibt. Für das öffentliche Recht ist die Be-
stimmung gänzlich unverwerthbar. Das schließt vor Allem die An-
wendung der Vorschrift im Prozeßrecht aus. Allerdings kann in
der Geltendmachung eines Anspruchs und überhaupt in jeder sonstigen
Privatrechtsausübung bei Gelegenheit eines Rechtsstreits sehr wohl
ein chikanöses Verhalten gefunden werden. Die eigentlichen, dem
Prozeßrecht als solchem angehörenden Maßnahmen (Einlegung von
Rechtsmitteln, Stellung von Beweisanträgen u. s. w.) dagegen
gar nicht vorausgesetzt wird, so kann letzterer natürlich auch nicht chikastös
handeln. — Unzweifelhaft wird übrigens die Behauptung, die Ausübung eine^
Aushebungsrechts könne nur den Zweck haben, dem Anderen zu schaden, b otz
in den seltensten Fällen sich darthun lassen.

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