Meurer, Die juristischen Personen nach deutschem Reichsrechte. 693
keine Gesellschaft, wenn nicht der Wille erklärt ist, sich auch ohne dieses
Mitglied vertragsmäßig zu binden, oder es ist noch ungewiß, ob die
Gesellschaft entstanden ist. Ein Vertragschluß erfordert Erklärungen
der Vertragschließenden gegen einander. Gierke erwähnt auf S. 46
Anm. 82 gelegentlich billigend die Annahme Hellwigs, daß diejenigen,
welche sich an einer Sammlung für einen Zweck betheiligen, einen Verein
bilden. Wo liegt hier der Vertragschluß, wenn ein Einzelner, ohne sich
selbst durch Gaben zu betheiligen, zu der Sammlung aufgefordert hat?
Kann ferner auch, abgesehen von diesem Beispielsfalle, für einen durch
Beitritt zahlreicher Personen gewachsenen, seit Jahren bestehenden
Verein bei Verfolgung einer Vereinsverbindlichkeit geltend gemacht
werden, daß das zu Beiträgen verpflichtende Statut des Vereins bei
seiner Gründung von einem Minderjährigen mitunterzeichnet war, dessen
Vormund nachträglich nicht zugestimmt hat? Gehört zur Begründung
eines Klaganspruchs gegen einen nicht rechtsfähigen Verein die Dar-
legung des rechtsbeständigen Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags unter
den Begründern? Wird die Klage ohne diese Darlegung, wenn der
Kläger beim Ausbleiben des Beklagten Versäumnißurtheil gegen den
nicht rechtsfähigen Verein beantragt, abgewiesen werden müssen, weil
etwas zur Begründung Nothwendiges nicht vorgetragen ist? Oder
giebt es ein thatsächliches Bestehen eines Vereins auch ohne gültigen
rechtsgeschäftlich zu Stande gekommenen Gesellschaftsvertrag der ur-
sprünglichen Begründer? Ich hoffe, daß namentlich Gierke auf diese
Fragen tiefer eingehen wird.
In dem Meurer'schen Buche wird die Planck'sche Ansicht vertreten,
daß ein Verein, der zu Unrecht in das Vereinsregister eingetragen ist,
während sein Zweck auf wirthschaftlichen Gewerbebetrieb gerichtet ist,
keine Rechtsfähigkeit erlangt, ebensowenig der nicht wirthschaftlichen Ge-
schäftsbetrieb bezweckende Verein durch staatliche Verleihung (S. 23).
Daneben spricht Meurer trotzdem von einer konstitutiven Kraft der Ein-
tragung und der Verleihung. Beides steht m. E. mit einander in
Widerspruch. Der Wortlaut der ZK 2 t, 22 B.G.B. enthält von kon-
stitutiver Kraft nichts. Im Gegentheil scheint er zu ergeben, daß in
jedem Falle, — bei jedem Rechtsgeschäfte der andere Theil, bei jedem
Grundbuchgeschäfte der Grundbuchrichter, bei jedem Auftreten im Rechts-
streite der Richter — von Neuem prüfen muß: Besteht ein wirksam zu
Stande gekommener Verein? War dazu ein wirksamer Gesellschafts-
vertrag nöthig? Ist er dargethan? Ist der Zweck des Vereins auf wirth-
schaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet oder nicht? Und je nach dem Ergeb-
nisse dieser Prüfung weiter: Ist der richtige Weg eingeschlagen, den Verein
rechtsfähig zu machen? Danach würde dann derselbe Verein heute als
rechtsfähig anerkannt, morgen zurückgewiesen werden, und Jeder, der sich
niit solchem Verein in Geschäfte einläßt, müßte sich sagen, daß er eine
gewagte Spekulation mit sehr ungewissem Erfolg eingeht. Darum ist
nach meiner Ansicht das Gesetz gar nicht anders zu verstehen, als daß
die Eintragung in das Vereinsregister und ebenso die staatliche Verleihung
in der That konstitutive Kraft hat. Erstere wird zwar angefochten werden