Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

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Literatur.

Mitglieder ansieht, die nur rechtlich als Einheit behandelt, d. h. fingirt
werde, bei der Stiftung die unübersehbare Reihe der Genußdestinatäre,
die vom Gesetze nach Art einer physischen Individualität gedacht werde.
Den rechtsfähigen Vereinen werden die nicht rechtsfähigen und die Ge-
sellschaften gegenübergestellt und von diesen die gesetzlich mit Rechtsfähig-
keit ausgestatteten und die Gesellschaften mit „formeller Rechtsfähigkeit"
geschieden. In die erstere Kategorie rechnet der Vers, die Reichsbank,
die freien Hülfskassen und seit 1901 die Versicherungsvereine auf Gegen-
seitigkeit. Die zweite Kategorie bilden Gesellschaften, die kraft positiver
Rormirung nach innen das Bild der Gesellschaft zeigen, nach außen
aber wie eine juristische Person funktioniren; sie werden vom Vers, unter
der neuen Bezeichnung „Gesellschaften mit formeller Rechtsfähigkeit" zu-
sammengefaßt. Er rechnet hierher alle Arten der Handelsgesellschaft
einschließlich der Aktiengesellschaft. Es scheint mir, daß er hierbei —
trotz seines Widerspruchs — auf die Seite derjenigen getreten ist,
welche auch die offene Handelsgesellschaft einfach als juristische Person
bezeichneten. Denn auch wer für diese Karakterisirung eintrat, verkannte
wohl kaum, daß die innere Organisation dieser Gesellschaften sich nach
Gesellschaftsrecht regelt. Die Vertreter dieses Standpunkts waren aber
allerdings so konsequent, die Mitglieder der offenen Handelsgesellschaft,
welche zur Vertretung nach außen nicht berufen sind, im Prozeß als
Zeugen zuzulassen. Der Verf. verbannt das Wissen solcher Gesellschafter
aus dem Prozesse der Gesellschaft vollständig. Eide sind ihnen nicht zu-
zuschieben, denn sie vertreten die formell rechtsfähige Verbandsperson
nicht, und zeugen dürfen sie nicht „in eigener Sache" (S. 125).
Die selbständigen Ausführungen des Verf. stempeln das Buch
überall als erhebliche wissenschaftliche Leistung, auch wo man nicht
zustimmt.
Ich habe die beiden Bücher in der Ueberschrift zusammengefaßt,
um in Bezug auf einen Punkt zu bekennen, daß ich in beiden die ge-
wünschte Sicherheit für die Beantwortung einer Grundfrage des Ver-
einsrechts nicht gefunden habe. Beide Verf. bezeichnen ganz kurz ohne
Betonung von Zweifeln im Anschluß an B.G.B. K 54 die Gründung eines
nicht rechtsfähigen — also auch des rechtsfähigen — Vereins als Abschluß
eines Gesellschaftsvertrags. Man braucht dies aber nicht nothwendig im
£ 54 zu finden, man kann sagen, sein Anhalt ist nur dahin zu verstehen,
daß die Vorschriften über die Gesellschaft auf bestehende nicht rechts-
fähige oder noch nicht rechtsfähige Vereine anwendbar fein sollen; aber
er regelt nicht, wie der Verein entsteht. Folgt man der von unseren
Vers, und, soviel ich sehe, allgemein auch sonst vertretenen Auffassung,
so hat das erhebliche Konsequenzen. Ein Gesellschaftsvertrag, an dessen
Abschluß ein Geschäftsunfähiger Theil genommen hat, ist wirksam für
keinen der Betheiligten zu Stande gekommen, die Wirksamkeit des Ge-
sellschaftsvertrags, an dem ein Minderjähriger Theil genommen hat, ist
in der Schwebe. Ein Gesellschaftsvertrag, zu dessen Abschluß einer der
Kontrahenten durch Betrug verleitet ist, wird durch Anfechtung ver-
nichtet. In allen diesen Fällen besteht auch für die anderen Betheiligten

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