Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

Schuldhafte Nichterfüllung von Verträgen.

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seits nur theilweise Nichterfüllung, andererseits stets theilweise
Nichterfüllung. Letzteres gilt auch von bloßen Nebenverbindlichkeiten,
insbesondere kann auch die schuldhafte Nichterfüllung einer derartigen
vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung nebensächlicher Natur
dem Käufer unter Umständen das Recht geben, den ganzen Ver-
trag aufzuheben und zurückzutreten oder Schadensersatz wegen voll-
ständiger Nichterfüllung zu fordern, wenn er nämlich in Folge der-
selben an der Erfüllung des Vertrags im Uebrigen kein Interesse hat.
Aus der Nichterfüllung der Hauptverpflichtung des Verkäufers
zur Verschaffung des Besitzes und lastenfreien Eigenthums insbesondere
erwachsen nach tz 440 Abs. 1 dem Käufer die Rechte der §§ 320
bis 327. Auf diese wichtige Bestimmung nruß des Näheren einge-
gangen werden. Während sonst durch die §§ 323—325 nur das
nachträgliche Unvermögen zur Leistung geregelt wird, wird hier
nicht unterschieden, ob das Unvermögen bereits beim Abschluffe des
Vertrags vorhanden war oder erst später eingetreten ist, vielmehr
soll durch § 440 Abs. I gerade in erster Linie der gewöhnliche Ge-
wührleistungsfall beit §§ 323—325 unterstellt werden, d. h. der Fall,
anbetrifft, so setzt derselbe die Versäumung einer „angemessenen Frist" zur Er-
füllung voraus. Wie kann aber eine angemessene Frist zur Erfüllung gesetzt
werden, wenn von vornherein feststeht, daß innerhalb derselben der Schuldner
die Erfüllung gar nicht nachholen kann?! Hierbei ist natürlich immer voraus-
gesetzt, daß wirklich Unmöglichkeit vorliegt, d. h. daß der Schuldner nicht zur
Beseitigung des vorübergehenden Hindernisses verpflichtet und in der Lage ist
ivergl. Bd. 45 S. 532, 534). Sonst liegt einfach Verzug vor.
Ist hiernach die verschuldete vorübergehende Unmöglichkeit kein „Verzug"
im Sinne des Gesetzes, so müssen doch die Grundsätze vom Verzug auf sie ent-
sprechend angewendet werden, soweit eben nicht die Natur der Sache ent-
gegensteht. Daraus ergiebt sich: die Verzögerung der Erfüllung in Folge ver-
schuldeter vorübergehender Unmöglichkeit begründet lediglich einen Anspruch
auf Schadensersatz wegen verspäteter Erfüllung (§ 286 Abs. 1). Nur wenn
die Leistung in Folge der durch die vorübergehende Unmöglichkeit herbei-
geführten Verzögerung für den Gläubiger kein Interesse hat, kann er unter
Ablehnung der zukünftig möglichen Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung
begehren (§ 286 Abs. 2). Während der Dauer der Unmöglichkeit kann nicht auf
sofortige Leistung verurtheilt und auch keine Frist im Sinne des § 326 gesetzt
werden. Eine trotzdem gesetzte Frist schließt den Anspruch auf Natural-
erfüllung weder zu Ungunsten des Gläubigers noch des Schuldners aus und
begründet nicht das Wahlrecht zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nicht-
erfüllung. Sie hat jedoch auch hier ebenso wie bei dauernder Unmöglichkeit
die wichtige Funktion, dem Schuldner die Berufung darauf abzuschneiden, daß
er zur Erfüllung bereit und in der Lage sei (vergl. Bd. 45 S. 536 N. 31).
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