Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

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Einzelne Rechtsfälle.

daß dieser Wahl gemäß bauliche Einrichtungen im ersten Stocke ge-
troffen seien, und daß die Wohnung im ersten Stocke vermiethet sei.
Der erste Richter hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin legte
Berufung ein und beantragte eventuell, den Beklagten zu ver-
urtheilen, ihr die Wohnung im ersten Stocke zu übergeben, sobald
er durch Kündigung oder Ablauf der gegenwärtigen Miethverträge
über eine derartige Wohnung zu verfügen im Stande sein werde.
Der Berufungsrichter hat den Beklagten diesem Eventualantrage
gemäß, jedoch mit der Maßgabe verurtheilt, daß die Klägerin ver-
pflichtet ist, die Kosten derjenigen baulichen Veränderungen zu
tragen, welche erforderlich sind, damit der Beklagte der Klägerin die
beanspruchte Wohnung gewähren kann. Außerdem hat er den Be-
klagten verurtheilt, das Wohnungs- und Beköstigungsrecht eintragen
zu lassen. Im Uebrigen ist die Berufung zurückgewiesen worden.
Entscheidungsgründe:
Die Annahme des Berufungsgerichts, daß das Wohnungsrecht
unter der Herrschaft des A.L.R. als Reallast aufzufassen gewesen
sei, entspricht der Rechtsprechung des Ober-Trib. (vergl. dessen
Entsch. Bd. 28 S. 29). Seine fernere Annahme, daß das Be-
köstigungsrecht nicht als persönliches, sondern als dingliches Recht
begründet worden sei, beruht auf Vertragsauslegung und ist daher
den Angriffen durch die Revision nicht zugänglich. Beide Rechte, in
demselben notariellen Vertrage bestellt, ergeben in ihrem Zusammen-
hang eine dem Altentheil entsprechende Berechtigung, deren recht-
liche Natur derjenigen der Reallasten völlig entspricht. Daraus er-
giebt sich ohne Weiteres die Pflicht des Beklagten zur Sicherstellung
durch Eintragung (vergl. Entsch. des R.G. in Civils. Bd. 43 S. 347 f.).
In der Punktation war diese Verpflichtung ausdrücklich bestimmt;
in den notariellen Vertrag ist diese Bestimmung nicht übernommen.
Daraus kann jedoch nicht mit der Revision gefolgert werden, daß
gemäß § 265 A.L.R. I. 5 jene Verpflichtung als beseitigt zu gelten
habe, vielmehr ist die Annahme geboten, daß die Nichtaufnahme in
den Vertrag auf der Erwägung beruht, diesen nicht mit überflüssigen
Bestimmungen zu belasten. Mit Recht nimmt daher der Berufungs-
richter an, daß die Verpflichtung zur Eintragung unter der Herr-
schaft des A.L.R. begründet war. Diese Verpflichtung des Beklagten
hat durch den Wechsel der Gesetzgebung keinen Wandel erfahren, da
beide Berechtigungen, auch wenn man sie auseinanderhält, auch nach

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