Full text: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Jg. 46 (1902))

Gerichtsstand der unerlaubten Handlung.

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in deffen Bezirk die unerlaubte Handlung verübt ist. Die Vorschrift
entspricht dem Grundsätze des Strafprozesses, wonach der Gerichtsstand
bei demjenigen Gerichte begründet ist, in deffen Bezirk die strafbare
Handlung begangen ist (§ 7 der Str.P.O.). Der Berufungsrichter
nimmt nun an, daß als der Thatort des von den Beklagten angeb-
lich begangenen Betrugs Berlin anzusehen sei, weil hier der dem
Kläger angeblich schädigende Vertragsschluß unter Benutzung des in
dem Kläger erregten Zrrthums herbeigeführt worden sei. Danach sei
das nach § 32 der C.P.O. zuständige Gericht das Landgericht I
Berlin.
Diese Ausführung und Auffassung steht in Widerspruche mit der
konstanten Rechtsprechung des Reichsgerichts in Straf- sowie in
Civilsachen. Dort ist ausgeführt, daß, wo der Thalbestand einer
Strafthat, z. B. des Betrugs sich aus verschiedenen Handlungen und
Vorgängen zusammensetzt, und diese an verschiedenen zu verschiedenen
Gerichtsbezirken gehörigen Orten sich vollziehen, nicht bloß das Ge-
richt, in deffen Bezirk die letzte den Thatbestand erfüllende Handlung
begangen worden, oder der das Delikt vollendende Erfolg, z. B. beim
Betrug die Vermögensbeschädigung eingetreten ist, sondern jedes Ge-
richt zuständig ist, in dessen Bezirk eine der zum Thatbestande ge-
hörigen Handlungen begangen ist (vergl. Entsch. in Strass. Bd. 15
S. 232, Bd. 23 S. 157).
Dieselben Grundsätze müssen sinngemäß auch im Civilprozeffe für
den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gelten und haben dem-
gemäß insbesondere bei dem Delikte des Betrugs entsprechende An-
wendung gefunden (vergl. R.G.-Entsch. in Civils. Bd. 27 S. 418,
Jur. Wochenschr. 1896 S. 686 Rr. 4). Setzt sich also der den
Klagegrund der unerlaubten Handlung bildende Vorgang aus mehre-
ren in verschiedenen Gerichtsbezirken zu Tage getretenen Vorgängen
zusammen, so ist in jedem dieser Bezirke der Gerichtsstand des § 32
der C.P.O. begründet. Da nun im vorliegenden Falle nach der
Klagebegründung die arglistige Täuschung des Klägers durch die Be-
klagten, die zur Einigung über den Grundstückstausch und somit am
folgenden Tage zum Abschluffe des notariellen Vertrags geführt, in
Charlottenburg statttgefunden hat, so ist der Gerichtsstand bei dem
Landgericht II in Berlin gemäß § 32 der C.P.O. begründet, und
es durfte dem Kläger das Gehör bei diesem Gerichte nicht versagt
werden.

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